Nichts stellt eine Freundschaft auf eine so harte Probe wie eine gemeinsame Reise. Wehe dem, der seine Reisebegleiter nicht sorgsam auszuwählen weiß. Philipp Schiemann ist einer, mit dem man gern reisen würde.

Das immer auf eindeutige Zuordenbarkeit versessene Feuilleton tut sich nicht eben leicht damit, für den 35-jährigen deutschen Autor ein passendes Etikett zu finden. Er sei der "König des Trash" und "der Mann für extreme Performances", sagen die einen; es handle sich um einen "tätowierten Ekelbatzen", meinen andere, und ein Schriftstellerkollege hat ihn einmal einen sensiblen Moralisten genannt. Es spricht für Schiemann, dass er sich einer eindeutigen Kategorisierung entzieht - für seine Literatur auch. Eine Literatur, die sich durch Genauigkeit in Stil und Reflexion auszeichnet und sich mit den randständigen Bezirken der Gesellschaft auseinander setzt, die Schiemann aus eigener Anschauung kennt, ohne mit diesem Wissen zu kokettieren.

In seinem kürzlich erschienenen Buch Die Ghana-Briefe (€ 14,90/110 Seiten, edition selene) zeichnet er nun bewundernswert unaufdringlich den Verlauf einer Reise nach. Ausgangsmaterial des Buches bilden 25 Briefe, die der Autor während eines einmonatigen Ghana-Aufenthaltes an Freunde schickte. Im Gegensatz zu anderen Reiseschilderungen gibt Schiemann weder den großen Reisenden auf Selbsterfahrungstripp, noch langweilt er mit angelesenem Baedeker-Wissen. Zwar beschreibt er auch Besuche bei Fetischpriestern, Führungen durch ehemalige Sklavenhandelsburgen und einen Streifzug durch den Regenwald. Viel mehr interessiert ihn aber das Festhalten flüchtiger Begegnungen mit Menschen und Orten: Ein kleines Kind, das vorsichtig und ernst ein aus Abfällen gebautes Auto hinter sich herzieht, ein alter Mann in einem Gebirgsdorf, der Percussionist bei Duke Ellington war. Straßenlärm in Acra, der Duft von Kakaobutter im Bus. Wissend, dass sein Blick der des Europäers ist und bleibt, vermeidet er Sozialromantik jeglicher Art und streift mit seinen Gedankenexkursionen durch die "Fremde", immer wieder das Naheliegende, "Eigene" findend. "Life's good, but not fair at all", zitiert Schiemann an einer Stelle Lou Reed. Es bleibt die Härte und ein beeindruckender, ein schnörkelloser Text. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.5.2004)