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Die Brücke von Mostar im Jahr 1991, ein Jahr vor Ausbruch des Bosnien-Krieges

Foto: Reuters
Noch sind es vor allem polnische, tschechische oder slowakische Touristen, die die Abschlussarbeiten an der Alten Brücke von den Ufern der Neretva bestaunen. Angereist sind sie meist aus dem nahen Medjugorje, wo 1981 angeblich die Heilige Jungfrau Maria erschien.

Das malerische, im Süden von Bosnien-Herzegowina gelegene Städtchen ist zum Pilgerort für Katholiken aus ganz Osteuropa geworden. Der Abstecher ins 25 Kilometer entfernte Mostar, wo die während des Bosnien-Krieges zerstörte Steinbrücke am 23. Juli wieder eröffnet werden soll, gehört zum touristischen Pflichtprogramm.

"Das Böse besiegt"

Denn wie kaum ein anderer militärischer Akt während der Kämpfe 1992-95 steht der Beschuss der von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärten Brücke für den endgültigen Untergang von Titos Vielvölkerstaat. "Mit dem Wiederaufbau wollen wir der ganzen Welt zeigen, dass das Böse besiegt wurde. Die neue Brücke wird noch schöner werden als das Orignal", versichert Cisic Rusmir, Direktor der Old Bridge Rebuilding Project Coordination Unit (PCU).

Vor fünf Jahren schon gab der Stadtrat Rusmir den Auftrag für die Koordinierung der Arbeiten am berühmtesten, im 16. Jahrhundert errichteten Bauwerk osmanischer Architekten auf dem Balkan. Geplante Bauzeit: 18 Monate. Doch bürokratische Scherereien sowie Streit zwischen muslimischen und bosnisch-kroatischen Politikern der durch den Fluss Neretva geteilten Stadt sorgten dafür, dass sich der Abschluss des 15 Millionen Euro teuren Projekts bis heute in die Länge zog. Die Hoffnung, dass neben den Medjugorje-Pilgern künftig auch Sonnenhungrige von den nur anderthalb Autostunden entfernten kroatischen Adriastränden den Weg nach Mostar finden, hegt nicht nur Rusmir.

Schließlich ist die Alte Brücke ("Stari Most"), die der Hauptstadt der Herzegowina den Namen gab, nur eines von vielen Zielen, das Bosnien attraktiv macht. "Reisende finden hier eine fantastische Mischung aus osmanischer Architektur und Bauten im Gründerzeitstil aus den Jahren der Habsburg-Herrschaft, die in Europa ihresgleichen sucht", preist der österreichische Handelsdelegierte in Sarajewo, Robert Luck, die Vorzüge des Drei-Millionen-Einwohner-Landes.

Landschaftliche Attraktionen

Auch der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, kommt aus dem Schwärmen kaum heraus, wenn er auf die landschaftlichen Attraktionen der kleinen Bergrepublik mit dem Adria-Zugang zu sprechen kommt: olympiareife Skipisten, herrliche Flüsse, auf denen private Reiseveranstalter Wildwasserfahrten und Angeltouren anbieten, und einzigartige Wanderstrecken. Ganz zu schweigen von der Herzlichkeit der bosnischen Bevölkerung: "Gastfreundschaft ist hier mehr als eine nette Geste. Sie gehört zum Lebensstil, ja, man könnte fast sagen, sie steckt in den Genen der Leute", sagt der Brite zum STANDARD.

Gemeinsam mit Außenminister Mladen Ivanic wird Ashdown in der kommenden Woche fünf EU-Hauptstädte besuchen, um Bosnien als Touristenziel anzupreisen. Dass in Berlin, Brüssel oder Bordeaux immer noch die Vorstellung vorherrscht, der Konflikt zwischen muslimischen, kroatischen und serbischen Einheiten könnte jederzeit wieder ausbrechen, weiß Ashdown. So sieht er seine Promotion-Tour nicht zuletzt als Weg, das Bewusstsein für die Besonderheiten der einstigen Tito-Republik zu schärfen. "Wir unternehmen diese Reise nicht, um Bosnien zum Ziel von Massentouristen zu machen. Uns geht es darum, für einen Imagewechsel zu werben. Die Leute sollen das Land nicht mehr als 'schwarzes Loch auf dem Balkan' in Erinnerung behalten."

Eigentumsfrage

Österreichs Handelsdelegierter hat trotzdem seine Zweifel, ob der Zeitpunkt der Reise richtig gewählt ist. "Hier wird der zweite Schritt vor dem ersten getan", moniert Luck, der von großem Interesse österreichischer Investoren berichtet, die jedoch vor einem zurückschreckten: den ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Ashdown widerspricht: "Entlang der früheren Olympiaskipisten auf den Bergen um Sarajewo wird ein Hotel nach dem anderen gebaut. Warum? Weil wir die letzten Jahre damit verbracht haben, die Eigentumsgesetze so zu ändern, dass das ohne Risiko möglich ist."

Ein positives Beispiel für das wachsende Interesse ausländischer Investoren im Tourismussektor liefert Österreich selbst: Anfang Mai kündigte die Alpha Baumanagement GmbH aus Villach den Ausbau des Holiday Inn in Sarajewo zum größten Medienzentrum auf dem Balkan an.

Schritt ins dritte Jahrtausend

Mit dem Kauf der einstigen Unterkunft von Kriegsreportern und Diplomaten für umgerechnet mehr als 20 Millionen Euro sei der "erste Schritt ins dritte Jahrtausend", gemacht, erklärte der Manager von Hypo Alpe Adria Consultants, Aleksander Petritz, bei der Bekanntgabe des Deals.

Ein Blick zurück ins letzte Jahrtausend erwartet den Besucher von Sarajewo bis heute: Einst gepriesen als "Jerusalem des Balkan", liegen die serbisch-orthodoxe und die katholische Kathedrale im Zentrum nur wenige Minuten voneinander entfernt, ebenso wie die frisch renovierte Begova-Moschee und eine von ehemals acht Synagogen. Wer dem Aufruf Ashdowns - "Wenn Sie ein Abenteurer sind, können Sie hier Dinge sehen, die Sie nirgendwo sonst in Europa zu Gesicht bekommen" - unter fachkundiger Leitung folgen möchte, hat dazu unter anderem bei Studienreisen eines deutschen Veranstalters Gelegenheit. (Markus Bickel aus Sarajewo, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.05.2004)