Die Eröffnung der "Home Gallery 2020" in der Bukarester Privatwohnung von Vlad und Jessie: Rumänische Kunst findet statt. Oft sehr unkonventionell.

Foto: MA 53 -PID, Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien
Die Luft ist lau, das Klima locker - und die Szene ist sehr lebendig. Weg will niemand. Die jungen Rumänen wollen die Kunstwelt von zu Hause aus verändern.


Der Gastgeber ist weg. Gut dreißig Leute aus der Kunstszene drängen sich in seiner kleinen Wohnung, lachen, plaudern und trinken den Rotwein, den Jessie ganz leger mit Baby im Arm in Plastikbechern kredenzt. Nur Hausherr Vlad Nanca hat die Wohnung verlassen.

Ein Kabel für die Videoperformance fehlt, das muss er schnell holen. Es stört ihn nicht, dass derweil seine Ausstellung eröffnet wird - von Georg Schöllhammer übrigens, Kurator und Herausgeber der Kunstzeitschrift "Springerin". Während der noch Dankesworte formuliert, ist der junge Gastgeber flugs wieder zurück, montiert herum - voilà! Die Wohnung des 25-jährigen Vlad Nanca ist ab sofort die "Home Gallery 2020".

Wiener Mischung Die unkonventionelle Schau moderner rumänischer und österreichischer Mediakunst findet anlässlich der Wien-Tage in Bukarest von 12. bis 16. Mai statt. Der Wiener Bürgermeister Häupl und der Kulturstadtrat sind eingeflogen. Sie sprechen mit den Bukarester Offiziellen über Verkehr, Mülltrennung, Abfallwirtschaft, Stadterhaltung - aber auch über Architektur und vor allem Kunst.

Der Bogen reicht von einem Johann-Strauß-Konzert in einem Bukarester Park über die Elektronik-Wanderperformance "moving patterns" bis hin zum Tanzschwerpunkt "performing identities". Doch die unkonventionellste Veranstaltung fand wohl in Vlads Wohnung statt.

Vlad ist Medienkünstler. Davon leben kann er, wie auch der Rest der Szene, nicht. Künstlerstipendien gibt es nicht, das Verständnis der Regierung beschränkt sich laut Vlad "eigentlich auf die Förderung von Kunsthandwerk".

Dabei hat Vlad noch Glück: Seine britische Freundin Jessie hat ihr Baby in England geboren - der Kleine ist also auch Brite und bekommt als solcher Kindergeld. Der jungen Familie sichert das in Bukarest zumindest ein bescheidenes Einkommen.

Andere Künstler arbeiten in der Werbung oder in IT-Firmen. Ein junger DJ hat sogar einen Wahlkampfsong für die Sozialdemokraten geschrieben. "Wenn du so was in Österreich machst, bist du künstlerisch erledigt. In Rumänien ist das normal, denn jeder muss von irgendetwas leben", erklärt der Künstler Daniel Gontz, der in Wien studiert.

Dennoch: Die Szene ist klein, aber äußerst lebendig, die meisten denken nicht daran wegzugehen. Auch Daniel Gontz will wieder zurück: "Ich werde wahrscheinlich noch ein halbes Jahr nach Barcelona gehen und dann wieder heim nach Bukarest." Die Leute hier seien aufgeschlossener, das Leben irgendwie lockerer. Und: "Jeder kennt jeden - das ist auch ein Vorteil. Man ist hier sehr schnell bekannt."

Das Interesse der Bukarester an Kunst sei sehr hoch, meint Gontz. Der Haken: Gekauft wird selten - weil das wenige Geld fürs Leben gebraucht wird.

Umso wichtiger wäre die Förderung von Kunst aus öffentlichen Geldern. Das soll auch geschehen, glaubt man den Slogans der wahlwerbenden Parteien, die im November zu Parlamentswahlen antreten. Zumindest wird gerade das erste Museum für zeitgenössische Kunst in Bukarest errichtet.

Und schon streiten Politiker und Kuratoren, was "zeitgenössisch" und was "Kunst" überhaupt ist. Kein Wunder, dass die meisten jungen Künstler skeptisch bleiben. "Versprochen wird viel, aber ich glaub's nicht", meint der Tänzer Mihai Mihalcea.

Moderner Tanz ist eine sehr junge Disziplin in Rumänien. Erst nach dem Sturz Ceau¸sescus entwickelte sich so etwas wie eine Miniszene. Doch bis heute haben die modernen Performer keine eigene Aufführungsstätte - "von so etwas wie dem Tanzquartier in Wien ganz zu schweigen", grollt etwa der auch in Wien, Berlin und Paris bekannte Mihai.

Die jungen Künstler nehmen die Ignoranz der Politik nicht kampflos hin. Zuletzt erschienen Ankündigungen mit dem Hinweis "diese Aufführung wird ohne Unterstützung des Kulturministers durchgeführt". Zu den Wien-Tagen tanzten sie im Nationaltheater - ein kleiner Etappensieg. Jedenfalls wollen Mihai und seine Gruppe in Bukarest bleiben und weiter für ein kunst-freundliches Umfeld kämpfen. Denn, lächelt Mihai: "After all, it's home." (DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.5.2004)