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Innsbruck - "Zwei Kriege hat die Führungsmacht des Westens in den letzten Jahren gegen islamische Völker geführt. Der erste war unnötig, der zweite kriminell." Dass sich Hans Küng beim Innsbrucker Symposium zu seinem "Projekt Weltethos" zum Krieg im Irak und zur Rolle der USA positionieren würde, war zu erwarten. Aktueller politischer Bezug ist in den Vorträgen des streitbaren 76-jährigen Theologen selbstverständlich geworden.

Dennoch überraschte, dass er gestern, Freitag, die Weltpolitik ins Zentrum seiner Ausführungen rückte. Zumal sich die Tagung, die die Initiative Weltethos Österreich (Präsident der Innsbrucker Historiker Helmut Reinalter) in Kooperation mit dem STANDARD organisierte, als Wissenschaftssymposium versteht.

Gender als Knackpunkt

Küng meinte, dass sich die Führungsmacht USA aufgrund der Folterungen im Irak in einer "tiefen, moralischen Krise" befände. Eine Krise, die gleichzeitig einen moralischen Wendepunkt darstelle: Das Eingeständnis von Vizeverteidigungsminister Wolfowitz, die USA hätten die Genfer Konvention verletzt, sei ein Indiz: "Immerhin gibt die politische Führung etwas zu."

Trotz der Gräueltaten zeigte sich der Theologe vom Veränderungspotenzial der "vier unverrückbaren Weisungen" - Verpflichtung zu Gewaltlosigkeit, Solidarität, Wahrhaftigkeit und Partnerschaft zwischen Mann und Frau überzeugt. Die Partnerschaft zwischen Mann und Frau hatte er 1990 seinem "Projekt Weltethos" zugrunde gelegt. Denn: "Die Frauenbewegung hat gezeigt, dass Bewusstseinswandel möglich ist."

Die Frage der Geschlechtergerechtigkeit ist für ihn auch einer der Knackpunkte im interreligiösen Dialog, den Küng, der im Herbst das 50. Priesterjubiläum begeht, vor allem sucht. Allerdings sieht er das "Weltethos" nicht explizit religiös begründet. In seinem Buch über den Islam, das zur Frankfurter Buchmesse im Herbst erscheint, "werde ich zeigen, dass wir Christen keinen Grund haben, hochnäsig über Muslime zu urteilen", sagt er am Rande der Tagung zum STANDARD: "Wir hatten dieselben Probleme und haben sie zum Teil immer noch. Denken wir nur, wie schwer sich die Kirche mit Empfängnisverhütung und dem Frauenordinariat tut."

Ernst Nipkow, Tübinger Theologe und Pädagoge, sieht, Küng folgend, eine "global civil society" als Ziel. Er formulierte aber Schwierigkeiten, die sich für "Weltethos" aufgrund des globalen Anspruchs ergeben, wenn die vier Weisungen in Konflikt geraten mit kulturellen Interessen und Differenzen. Etwa im Umgang mit den und dem Fremden, Beispiel Ruanda: Beide Völker, Hutu und Tutsis, sind christlich getauft, aber durch die belgische Missionierung hätten sich die Hellhäutigeren als höherwertig verstanden. (Benedikt Sauer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16. 5. 2004)