Knapp 100.000 Straßenbäume gibt es in Wien, und sie erfüllen wichtige Funktionen: Ein 20 Meter hoher Laubbaum bindet täglich 9400 Liter Kohlendioxid, produziert 6700 Liter Sauerstoff und filtert 20 kg Staub. Es ist daher nicht nur die Liebe zu "Bruder Baum", die für sorgsame Pflege und gegen unnötige Schlägerung der hölzernen Riesen spricht.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Bäume, die "im Weg stehen", entfernt werden können, ohne sie zu fällen, fand jüngst am Wiener Flughafen statt: Um einem neuen Gebäude der Gepäcksortierung Platz zu machen, wurden zehn 25-jährige Platanen mit Stammumfängen von bis zu einem Meter verpflanzt. "Jeder dieser Bäume wiegt rund fünf Tonnen und stellt einen Wert von 10.000 Euro dar", erklärt Gerold Steinbauer, dessen Unternehmen die Platanen an ihren neuen Standort - die Allee der Flughafeneinfahrt - versetzte.

Relation zum Stamm

"Bei der Verpflanzung müssen Blatt- und Wurzelmasse des Baumes im gleichen Verhältnis und in Relation zum Stamm reduziert werden", erläutert Steinbauer. "Der Ballen soll den acht- bis zehnfachen Stammdurchmesser bzw. zweieinhalb- bis dreifachen Stammumfang haben."

Während früher der Baumschnitt in der Vegetationsperiode nach Möglichkeit vermieden wurde, sind sich Experten heute einig, dass der Sommerschnitt auch Vorteile hat. Thomas Mellauner von pflanz!, einem Sachverständigenbüro für Baumpflege und -begutachtung in Wien, rät zu folgender Unterscheidung: "Wenn man nur kleine Schnitte vornehmen muss, etwa bei Obstbäumen oder zur Formerhaltung in historischen Anlagen, dann ist der Winter die richtige Jahreszeit. Wenn aber größere Schnitte nötig sind, dann ist der Sommer besser, weil der Baum dann stärkeres Wundholz bildet."

Schnitt

Doch nicht nur auf den Zeitpunkt, auch auf die Methode kommt es an. "Wenn Äste einfach gekappt, also horizontal abgeschnitten werden, bilden sich Faulstellen, die dem Baum schaden und Pflegeaufwand für die Zukunft bedeuten", so Mellauner. Richtiger sei es, den Baum einzukürzen, was aber mehr Arbeit und damit höhere Kosten bedeute. "Für den Baum sind solche Maßnahmen ohnehin nur gut, wenn Gefahr für seine Standfestigkeit besteht. Leider verlangen aber viele Kunden eine Verkleinerung ihrer Gartenbäume, weil sie sich die falsche, zu großwüchsige Baumsorte ausgesucht haben."

Mit der Erfindung der Motorsäge seien immer größere Schnitte immer leichter möglich geworden, auch für Laien. Doch Baumpflege sei unbedingt ein Fall für Spezialisten, so Mellauner - wobei er die Bezeichnung "Baumchirurg" als "in der Branche verpönt" sieht: "Vor allem das Ausfräsen bis ins gesunde Holz und das großflächige Aufbringen von Wundverschlussmittel ist heute überholt, vom Ausbetonieren ganz zu schweigen. Im Gegensatz zum Menschen kann ein Baum kaputtes Gewebe nicht heilen, er schottet nur ab. Und da ist jede unnötige Vergrößerung der Wundfläche kontraproduktiv." (Marie-Therese.Gudenus, DER STANDARD Printausgabe 15/16.5.2004)