Der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe bereitete in Interviews am Wochenende die Deutschen darauf vor, dass auch in der Bundesrepublik bald eine Pkw-Maut eingeführt werden könnte. Der Staat könne den Straßenbau nicht mehr so wie bisher bezahlen. Denkbar sei es, dass Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung von Straßen an Private übertragen würden. "Zur Refinanzierung erhalten diese dann das Recht zur Erhebung von Mautgebühren - egal ob Pkw oder Lkw", so Stolpe. Dies sei nach Rechtslage jetzt schon möglich.

Private Investitionen im Verkehrsbereich werden nach Stolpes Einschätzung zunehmen: "Diese zusätzlichen finanziellen Mittel werden gebraucht. Das nächste Jahr wird schlimm, 2006 wird bitter."

"Völlige Privatisierung der Autobahnen"

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement plädiert schon seit Monaten für eine völlige Privatisierung der Autobahnen. "Wenn der Staat die Autobahnen nicht mehr finanziert, kann er die Bürger an anderer Stelle entlasten", so Clements Rechnung. Als erstes privat finanziertes und mautpflichtiges Fernstraßenprojekt in Deutschland ist der Rostocker Warnow-Tunnel seit September 2003 in Betrieb.

Einzelne Politiker der Grünen unterstützen die Überlegungen der Koalitionspartner. Der Verkauf aller Autobahnen könnte nach Ansicht der grünen Haushaltspolitikerin Antje Hermenaus mindestens zehn bis 15 Milliarden Euro einbringen. "Damit können wir 2005 alle Haushaltslöcher stopfen." Der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt widersprach jedoch: "Ich halte überhaupt nichts davon, von einer Pkw-Maut zu fantasieren. Wir haben noch nicht einmal die Lkw-Maut."

Verantwortliche für die Einführung der Lkw-Maut versichern jedoch, das System werde im zweiten Anlauf zu Jahresende funktionieren. Derzeit läuft ein Testbetrieb, im Herbst ein groß angelegter Praxistest. Das satellitengestützte System ist theoretisch auch für die Pkw-Maut geeignet. Dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut von rund 180 Millionen Euro pro Monat nicht fließen, ist mit ein Grund für die Überlegungen, neue Finanzquellen im Verkehrsbereich zu erschließen.

Denn auch der Verkehrsminister wird bei den laufenden Verhandlungen für das Budget 2005 Abstriche bei seinen Projekten machen müssen. Denn derzeit fehlen, wie berichtet, dem Bund bis zu elf Milliarden Euro.

Stabilitätspakt-Verstoß

Finanzminister Hans Eichel strebt nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel für heuer und nächstes Jahr eine höhere Neuverschuldung an. Eichel plane eine Kreditaufnahme von rund 24 Milliarden Euro ein. Das sind über zwei Milliarden Euro mehr als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Experten des Finanzministeriums rechnen derzeit mit einem Defizit von bis zu 3,3 Prozent für 2005. Damit würde Deutschland zum dritten Mal in Folge das Drei-Prozent-Kriterium des EU-Stabilitätspaktes nicht einhalten. (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, Der Standard, Printausgabe, 17.05.2004)