Im Grazer Schauspielhaus, wo das Regiepaar Deborah Epstein und Marcus Mislin aus Anlass des "8. Österreichischen Theatertreffens" die Hochzeit brav vom Aushangblatt der bürgerlichen Doppelmoral herunterliest, klappt die Rückwand der Bühnenschachtel nach vor. Das macht zwar einigen Wind, doch die einstürzende Wand begräbt auch nicht diese schockierend triebhaften Faune unter sich.
Vorher konnte man sich über die Kraftanstrengung eines 26-köpfigen Ensembles freuen. Matthias Fontheim, der abgangswillige Theaterchef der famos aufgepulverten Länderbühne, hat während vier Jahren Schauspieler wie geschliffene Edelsteine zusammengetragen - und Lokalheroen wie Gerti Pall, Ernst Prassel oder Otto David zum Mitglitzern bewegt.
Diese Inszenierung der Hochzeit wird bestimmt nicht in die Grazer Annalen eingehen. Dazu ist sie zu breit, zu behäbig - und vor allem zu biedermannsbunt erzählt. Nach dem berühmten "Vorspiel", einer etwas steifen Typenparade quer durch die Wohnwaben eines Gründerzeithauses mit Einschlag ins Gelsenkirchener Barock (Bühne: Florian Barth), sieht man fettbäuchige Gewaltanwender und spukhaft alte Kinderschänder vor Edelholzpaneelen quasi gesellschaftstanzen.
Nymphomaninnen aller Klassen und Grade winden sich über das Parkett (Monique Schwitter, Martina Stilp). Die kirrende Brautmutter (Frederike von Stechow) verlustiert sich mit dem Bräutigam (Sebastian Reiß), einer Karikatur auf dem schmalen Hochgrat zwischen Draufgehen und Reißausnehmen.