Genf/Taipeh/Wien - Es gehört bereits zum Ritual der Jahrestagung der Weltgesundheitsorganisation: Wenn die WHO-Versammlung am heutigen Montag in Genf zusammentritt, wird Taiwan um einen Status als Beobachter in der UN-Organisation ansuchen und - geschieht nicht ein Wunder - binnen Minuten am Widerstand Chinas und dessen Verbündeten scheitern.

Nicht einmal der Ausbruch der Lungenepidemie Sars, an der in Taiwan trotz drakonischer Quarantänemaßnahmen 73 Menschen starben, hat im Vorjahr etwas an den politischen Kräfteverhältnissen in der Weltgesundheitsbehörde ändern können. China, das die Inselrepublik Taiwan seit dem Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten als abtrünnige Provinz betrachtet, verhinderte, dass die Kandidatur überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Kostet im Ernstfall wertvolle Zeit

Der Ausschluss Taiwans und seiner 23 Millionen Einwohner vom globalen Alarmsystem der WHO, so argumentiert die Regierung in Taipeh, kostet Ärzte und Behörden im Ernstfall wertvolle Zeit. Als im März 2003 der Sars-Erreger vom chinesischen Festland nach Taiwan vordrang, dauerte es drei Wochen, bis die UN-Gesundheitsbehörde einen Weg fand, um ein Team auf die Insel zu senden und Informationen auszutauschen.

Während der Vogelgrippeepidemie zu Beginn dieses Jahres war die Verständigung nicht besser. "Im Grunde ist es eine Frage von Leben und Tod", meint Informationsminister Huang Hwei-chen. Peking und die UNO hätten ein Apartheidsystem für die Gesundheitsvorsorge errichtet.

Doch ebenso ist die WHO-Kandidatur für Taiwan zur wichtigsten Entscheidung geworden, um internationale Anerkennung und Rückhalt im Konflikt mit Peking zu gewinnen. Eine Rückkehr in die UNO selbst, wo die "Republik China" 1971 nach einer Kursänderung der USA seinen Sitz an die "Volksrepublik China" verlor, hat Taipeh vorerst aufgegeben. Nur noch 26 Staaten, meist aus Mittelamerika und der Karibik, erkennen Taiwan an und stellen in Genf nun zum achten Mal in Folge den Antrag auf Zulassung der Insel. Die USA und die EU billigen den Antrag. (DER STANDARD, Printausgabe 17.5.2004)