STANDARD: Intralife soll die Zusammenarbeit zwischen Menschen erleichtern, die räumlich getrennt arbeiten oder lernen. Warum haben Sie diese Anwendung gerade für das Arbeitsmarktservice (AMS) eingesetzt? Baumgartner: Neue AMS-Berater durchlaufen eine einjährige duale Ausbildung, in der sich Theorie und Praxis abwechseln. Die Praxiswochen absolviert jeder Teilnehmer in einem anderen AMS. In dieser Zeit fühlen sich die Neuen oft einsam und finden im Arbeitsalltag wenig Unterstützung. Speziell diesem Wunsch nach mehr Austausch sind wir mit Intralife nachgekommen. Wir bieten also kein E-Learning im Sinn von Inhaltsvermittlung an, sondern kümmern uns um soziale Aspekte.

STANDARD: Wie viele Menschen nutzen Ihre Entwicklung?

Baumgartner: Momentan arbeiten 20 Teilnehmer eines Pilotkurses mit Intralife, es sollen aber weitere Kurse dazukommen.

STANDARD: Warum haben Sie sich entschlossen, Weblogs, die man als virtuelle Tagebücher kennt, als Kommunikationsplattform anzubieten?

Baumgartner: Wir haben gesehen, dass eines der größten Probleme der Mitarbeiter des AMS ihre verstopften Mailboxen sind. Nicht nur Spam-Mails machen Probleme, sondern auch der interne Kommunikationsaufwand per Mail ist für den Einzelnen eigentlich schon zu hoch. Wir wollten den Austausch unterstützen, aber die Mailboxen nicht noch zusätzlich belasten.

STANDARD: Was genau ist die Funktion der Weblogs?

Baumgartner: Jeder einzelne kann sein persönliches Tagebuch führen, gleichzeitig aber auch Diskussionsplattformen zu Themen eröffnen, die ihm wichtig sind. Daneben gibt es gemeinsame Weblogs zu Inhalten, die für den Kurs relevant sind. Das zweite wichtige Element in der AMS-Version von Intralife ist die persönliche Nickpage mit allen Angaben zur Person wie Adresse, Telefonnummer oder Foto.

STANDARD: E-Learning scheitert oft an der fehlenden sozialen Komponente: Man sitzt allein vor dem Bildschirm. Wie sind Sie damit umgegangen?

Baumgartner: Wir verfolgen den Ansatz des Blended Learnings: Um einen Lernerfolg zu erzielen, muss es beides geben - reale Treffen und digitale Unterstützung. Nachdem sich die neuen Berater des AMS in den Praxiswochen selten sehen, haben wir Intralife so zugeschnitten, dass die Teilnehmer viel über das Verhalten der anderen mitbekommen. Man sieht beispielsweise, wer die Anwendung wie oft benutzt hat und welche Aktivitäten gesetzt wurden. Für die Teammitglieder gibt keine privaten oder geheimen Bereiche, nach außen ist die Anwendung geschlossen.

STANDARD: Wie wurde Intralife angenommen?

Baumgartner: Vor Projektstart gab es Bedenken, dass ein weiteres Programm als Belastung empfunden werden könnte. Natürlich gab es auch technische Unsicherheiten, etwa wie ein Download funktioniert. Aber jetzt es ist ein Erfolg. Ein Grund dafür ist, dass wir von Anfang an großen Wert auf gute Schulung und Betreuung gelegt haben. Letztlich war aber auch die Einfachheit des Programms ausschlaggebend. Es konzentriert sich auf die Grundfunktionalitäten, die gewünscht wurden und dem Alltag der Teilnehmer angepasst sind. Intralife ist einfach eine Unterstützung - vergleichbar mit Skripten.

STANDARD: Wie ist das Feedback zu den einzelnen Funktionen?

Baumgartner: Am positivsten wird bewertet, dass man sich einen Eindruck von der allgemeinen Stimmung im Team verschaffen kann. Bei jedem Einstieg in Intralife geben die Teilnehmer über ihre persönliche Stimmungslage Auskunft, indem sie ein mehr oder weniger freundliches Gesicht, einen Smiley, anklicken. Auf der nächsten Seite werden die Smileys aller Teilnehmer angezeigt, man kann sich also schnell ein Bild von der Stimmung im Team machen. Am häufigsten bearbeitet werden die Weblogs und die eigene Nickpage. Nicht erwünscht war ein automatisches Logout, das wir vorgesehen hatten. Die Teilnehmer wollen die Anwendung auch stundenlang im Hintergrund laufen haben, um die Gruppe zu spüren.

STANDARD: Haben die Teilnehmer keine Angst, im Weblog über Probleme zu schreiben, wenn die Privatsphäre fehlt?

Baumgartner: Die Angst bestand zu Beginn, verschwand dann aber. Die Teilnehmer haben sogar begonnen, mit der Transparenz zu spielen. Plötzlich sind in den Weblogs Beiträge erschienen, mit denen Einzelne checken wollten, ob ihre Kollegen sie tatsächlich lesen. Mittlerweile hat sich ein recht offenes Klima breit gemacht, wo auch Konflikte ausgetragen werden.

STANDARD: Warum haben sich E-Learning-Anwendungen noch nicht weiter verbreitet? Baumgartner: Weil sowohl die Lernmanagement-Software als auch das Erstellen von passenden Inhalten noch immer sehr teuer sind. Da fehlt noch ein Innovationszyklus, bis Content und Software so weit sind, dass jeder selbst Wissen erzeugen und verwalten kann. Dann wird E-Learning aber wirklich spannend, weil es neue Perspektiven für selbst organisiertes und lebensbegleitendes Lernen eröffnet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 5. 2004)