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Gaby Burgstaller in Hosen bei Klestil

Foto: apa/ROLAND SCHLAGER

Finanzminister Karl-Heinz Grasser (re.) bewundert die berühmt gewordenen Rabattschuhe von Wirtschafts- minister Martin Bartenstein.

Foto: M. Cremer
Ist man ohne Krawatte beim Papst underdressed? Gibt es für die Hofburg einen Dresscode? Oder können heute alle alles tragen? Fragen, die vor allem für Politikerinnen und Politiker heikel sind.


"Zu jedem Dresscode gehört auch die Durchbrechung des Dresscodes!" Was Autorin Barbara Frischmuth bei einer Diskussion über Dresscodes, veranstaltet von der Liga für Menschenrechte, als Theorie formulierte, scheint zum Credo mancher Politiker geworden zu sein. Ob SP-Klubchef Josef Cap ohne Krawatte beim Papst oder die Ankündigung von Heinz Fischers Sprecher Bruno Aigner, sich auch künftig in der Hofburg gegen jeglichen Krawattenzwang zu wehren - die Kleiderwahl sorgt für Diskussionsstoff.

Jüngstes Beispiel: Salzburgs neue Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SP), die zur Angelobung durch den scheidenden Bundespräsidenten in Hose und Blazer erschienen ist.

Geschmacksfragen

"In einer scheinbar immer liberaleren Welt gibt es immer noch bestimmte Zwänge in bestimmten Situationen", beschreibt Herbert Lachmayer, als Kulturwissenschafter Experte auch für textile Zeichen und Codes, die Rahmenbedingungen der inoffiziellen Bekleidungsvorschrift, des "Dresscodes". Über den Inhalt des unausgesprochenen gesellschaftlichen Konsenses gibt es unter Österreichs Politikerinnen und Politikern jedenfalls deutlich sichtbare Auffassungsunterschiede.

Vor allem extravagante Schuhmodelle stechen immer wieder ins Auge: Variante Spitzschuh von Exvizekanzlerin Susanne Riess-Passer glänzte einst mit den knallroten Schnürschuhen des Textil-Chamäleons Jörg Haider (FP) um die Wette. Ein Farbtrend, der auch bei SP-Chef Alfred Gusenbauer Gefallen fand. Das modische Accessoire in Gestalt der berühmten roten Aktentasche fand allerdings in der Öffentlichkeit keine ungeteilte Zustimmung.

"Rock steht über Hose"

Auf Gabi Burgstallers "ganz normale Bürokleidung", so Etikette-Experte Thomas Schäfer-Elmayer, reagierte man in der Hofburg jedenfalls völlig unaufgeregt. Ein Protokoll, in welchem Aufzug man dem Bundespräsidenten gegenübertreten sollte, gibt es nicht. Nur wenn der Präsident einen Empfang gibt, wird vermerkt, welche Kleidung erwünscht ist. Und steht da etwa "dunkler Anzug, kurzes Kleid", könnten die Damen selbstverständlich auch im Hosenanzug erscheinen.

Für Schäfer-Elmayer gilt es dennoch als ungeschriebenes Gesetz: "Der Rock steht nach wie vor in der Klasse über der Hose." Auch das Tragen einer Krawatte ist bei offiziellen Anlässen immer noch (bürgerliche) Pflicht. Ein "Verstoß" dagegen hat für Professor Lachmayer in "unserer Idealismus-süchtigen Welt" wesentlich mit dem Selbstverhältnis zu tun sowie mit der Frage: "Welche Rolle spiele ich im Film der anderen?" Schäfer-Elmayer ergänzt: "Man möchte etwas ausdrücken, aber man weiß nie, wie der andere das liest." Was wohl Alois Mock ausdrücken wollte, als er beim Treffen mit dem jordanischen König im Jahr 1987 in Sportschuhen und kurzer Hose auftrat, blieb vielen rätselhaft. Immerhin, rückblickend betrachtet könnte man Mock als Vorreiter der weit verbreiteten Sneaker-Fraktion ansehen.

"Man kann aber auch innerhalb des Anzugsystems ins Kreischen kommen", sagt Herbert Lachmayer. Entscheidend seien die feinen Nuancen bei einem Outfit. So haben sich etwa Jörg Haiders große Krägen im Wechselspiel mit ländlicher Tracht als Markenzeichen herauskristallisiert. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein rückte modetechnisch durch ein Paar Schuhe mit Rabatt ins mediale Licht.

Schäfer-Elmayer plädiert für Unaufgeregtheit: Es wäre "ein schwerer Fehler", von der Kleidung auf die Persönlichkeit zu schließen: "Das ist nur eine Momentaufnahme." Das Wesen steckt hinter der Mode. (DER STANDARD, Printausgabe vom 17.5.2004)