Wien - In Österreich ist die betriebliche Gesundheitsvorsorge weniger entwickelt als in anderen europäischen Ländern oder den USA. Bis zu 3,6 Mrd. Euro jährlich an volkswirtschaftlichem Gesamtnutzen würde eine auf breiter Basis umgesetzte Gesundheitsvorsorge in den heimischen Betrieben ausmachen. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Höhere Studien (IHS) in einer aktuellen Studie, die heute, Montag, von IHS-Chef Bernhard Felderer in Wien präsentiert wurde. Sportstaatssekretär Karl Schweitzer (F) kündigte gleichzeitig an, gemeinsam mit den Sportdachverbänden gezielt Bewegungsprogramme in die heimischen Betriebe bringen zu wollen.

"Das derzeitige Gesundheitssystem wird wegen Unfinanzierbarkeit nicht nur zusammenbrechen, sondern hoffentlich von den Menschen nicht mehr akzeptiert werden", meinte Schweitzer. Das "Krankheitssystem" würde bereits 22 Mrd. Euro jährlich kosten, das entspreche 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die jährlichen Steigerungsraten fielen stärker aus als das BIP-Wachstum. Die Pro-Kopf-Kosten seien von 150 Euro 1960 auf 2.800 Euro in 2002 angestiegen.

Schweitzer will Gütesiegel einführen

Gemeinsam mit den Sportdachverbänden plant Schweitzer als Dienstleister am österreichischen Gesundheitssystem aufzutreten. Um die Einheitlichkeit und Qualität der angebotenen Bewegungsprogramme zu gewährleisten, soll ein Gütesiegel erarbeitet werden. Nur Programme mit Gütesiegel sollen in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge zugelassen und von der Öffentlichen Hand gefördert werden.

"Schon jetzt besteht für die Krankenversicherungsträger über das ASVG §154b der gesetzliche Auftrag, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bzw. Verhütung von Krankheiten und Unfällen zu unterstützen und gegebenenfalls unter anderem mit gemeinnützigen Einrichtungen Vereinbarungen zu treffen, sich an solchen Maßnahmen finanziell zu beteiligen", so Schweitzer.

Programme in die Arbeitszeit "einbetten"

Die Akzeptanz der Bewegungsprogramme sowohl bei Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern soll durch Anreizsysteme - Bonus-Malus-Systeme - gefördert werden. Für Arbeitgeber sollte es sich bei den Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung auswirken. Auf Arbeitnehmerseite kann sich Schweitzer vorstellen, dass die Akzeptanz eines betrieblichen Gesundheitsvorsorgeprogrammes Bedingung für die Aufnahme in den Betrieb sein und sich die Teilnahme auf die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge auswirken könnte. Die Programme sollten in die Arbeitszeit "eingebettet" sein, zum Beispiel in einer verlängerten Mittagspause. Die Umsetzung sollte so rasch als möglich erfolgen und in den geplanten Gesundheitspass eingebaut werden, forderte Schweitzer.

Die effektivste Wirkung der betrieblichen Gesundheitsprogramme würde laut diversen Studien von Bewegungsprogrammen in Kombination mit Ernährungsprogrammen ausgehen, sagte Felderer. Bei der Abwesenheit würde sich eine Reduktion - je nach Studie - von 12 bis 36 Prozent ergeben. Entgeltfortzahlungen von bis zu 241 Mio. Euro könnten vermieden werden. Darüber hinaus würden sich weniger Arztbesuche, weniger Krankenhauseinweisungen und kürzere Krankenstände ergeben.

Weniger Krankenstandstage prognostiziert

Bei den Krankenstandskosten würde es zu Einsparungen von bis zu 338 Euro oder 36 Prozent je Beschäftigen kommen, die Krankenstandstage würden um bis zu 12 Prozent sinken. Insgesamt ergebe sich hier eine maximale Kostenreduktion von rund einer Mrd. Euro. Den "schwersten Brocken" stellen die durch Prävention vermiedenen Einkommensverluste dar, die mit 1,4 Mrd. Euro beziffert werden. Die Zahl der Neuzugänge zur Erwerbsunfähigkeitspension würde um 16 Prozent, die Zahl der vorzeitigen Todesfälle im erwerbsfähigen Alter um 4,6 Prozent sinken. Weiters könnte je unselbstständig Beschäftigten bis zu 271 Euro von derzeit 797 Euro an Behandlungskosten eingespart werden, in Summe also 854 Mio. Euro. (APA)