Wien - Trotz anhaltenden Widerstandes aus Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKÖ) drängt Justizminister Dieter Böhmdorfer auf die Einführung eines Strafrechtes für Unternehmen in Österreich.

Der im Gefolge der Kaprun-Freisprüche für das Frühjahr angekündigte Gesetzesentwurf verzögert sich zwar, werde aber noch vor dem Sommer in Begutachtung geschickt, sagte Böhmdorfer zum STANDARD.

Enthalten wird der Gesetzesentwurf, der auch als Reaktion auf EU-Vorgaben zu verstehen ist, einen unerwartet hohen, am Firmenumsatz orientierten Strafrahmen.

So soll die Höchststrafe für Unternehmen 20 Prozent eines Jahresumsatzes ausmachen können - erwartet wurden analog etwa zum Strafrahmen im Kartellrecht maximal zehn Prozent vom Jahresumsatz.

Die Mindeststrafe soll bei 50 Euro liegen. Böhmdorfer sagte: "Geldbußen für Unternehmen können naturgemäß wesentlich höher sein als für Einzelpersonen. Daraus erwarten wir uns ein Korrektiv."

"Todesstrafen" für Unternehmen

Den Arbeitgeberorganisationen, die vor "Todesstrafen" für Unternehmen warnen, ist neben dem finanziellen Aspekt vor allem die Erhaltung des Rechtsprinzips "Keine Strafe ohne Schuld" ein Anliegen.

Auf Unternehmen angewandt heißt das, dass Voraussetzung jeder Sanktion gegen eine Firma das Vorliegen einer strafbaren Handlung eines oder mehrerer Mitarbeiter sein müsse.

Das Justizministerium will jedoch - zum Gefallen beispielsweise der Arbeiterkammer - einen Schritt weiter gehen und im Extremfall auch Strafen gegen Unternehmen ermöglichen, wo die Schuld eines Mitarbeiters eben nicht nachgewiesen werden konnte.

Systematischer Organisationsmangel

Als Beispiele werden hier Tankerunfälle oder Lkw-Unfälle genannt. So könnte bei Frachtunternehmen ein systematischer "Organisationsmangel" vorliegen, wenn etwa die Routenplanung jahrelang so erfolgt ist, dass die einzelnen Lkw-Lenker gar keine andere Möglichkeit hatten, als ständig die Fahr- und Ruhezeiten zu missachten.

Künftig könnte es dazu kommen, dass der einzelne Lenker nach einem Unfall aufgrund besonderer Umstände freigesprochen wird, aber eine Strafe oder Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt wird.

Geldbuße statt Strafe insofern, als die Wirtschaft nichts vom klassischen Strafrechtsbegriff wissen will, sondern nur bereit ist, ein Bußgeldsystem zu akzeptieren. Dieses solle auch das Instrument der "Diversion" beinhalten, also - salopp formuliert - den Freikauf, bevor es überhaupt zu einem Strafverfahren kommt.

Die Diversion fand zuletzt bei Bankmanagern nach Zinsabsprachen ("Lombard-Club") und bei den privaten Aktiengeschäften des Ex-Voest-Chefs Franz Strutzl Anwendung. (DER STANDARD Printausgabe, 18.05.2004, Michael Bachner)