Foto: Der Standard/Matthias Cremer
Foto: Der Standard/Matthias Cremer
Der Song Contest ist geschlagen, Österreich auch. Udo Jürgens lebt beinahe schon im Altersheim, schön wäre es wieder mal zu siegen. Auch wirtschaftlich liegen bessere Zeiten weit zurück.

Über 280.000 Arbeitssuchende können ein Lied davon singen. Österreich hat Pech mit Boygroups. In der Wirtschaftspolitik hinken wir mit Wolfgang, Karl-Heinz und Martin hinterher.

Austria: zero points, Autriche: zero points, Österreich: null Punkte

So sieht die Wertung aus, legt man ihr die Frühjahrsprognose des Weltwährungsfonds zugrunde. Österreichs Wirtschaftswachstum wird 2004 den 162. Platz unter 179 Staaten weltweit erreichen.

Stagnation auf hohem Niveau

Die Hälfte der Staaten mit schlechteren Aussichten sind winzige tropische Inseln wie Tonga, St. Lucia oder die Seychellen. Tritt Bandleader Wolfgang vor die Mikrophone und erklärt, wie schon 2001, dass alles nicht so schlimm sei, es sei nur eine "Stagnation auf hohem Niveau"?

Das vierte Jahr in Folge erlebt Österreich die "Stagnation auf hohem Niveau" bereits. Diese Stagnation bedeutet eine ungeheure Verschwendung durch brachliegende Ressourcen, die produktiv genutzt werden könnten.

Die wohl schlimmste Folge ist, dass derzeit mehr als 280.000 Menschen der Chance auf Arbeit beraubt werden, Tendenz steigend. Vielen MusikerInnen fehlen die Instrumente.

Wachsende Probleme für das Sozialsystem

Wirtschaftliche Stagnation bringt auch wachsende Probleme in der Finanzierung unseres Gesundheits- und Pensionssystems. Die Beiträge zur Sozialversicherung wachsen nicht rasch genug um die steigenden Kosten abzudecken.

Vor drei Jahren prognostizierte das Wirtschaftsforschungsinstitut die Entwicklung bis 2004. Wäre die ohnehin nicht besonders optimistische Prognose eingetreten, würden wir 2004 eine um etwa 10 Milliarden Euro höhere Wirtschaftsleistung erzielen.

Damit wäre die Arbeitslosigkeit leicht gesunken und die Finanzierung unseres Gesundheitssystems einfacher. Aber möglicherweise kommt manch konservativen Kräften, die mit dem Schlachtruf "weniger Staat, mehr Privat" die wirtschaftspolitische Diskussion prägen, die wirtschaftliche Schwäche gar nicht so ungelegen, denn sie lässt Kürzungen als unvermeidlich erscheinen.

Europa schwächelt

Nicht nur Österreich, viele europäische Staaten liegen im internationalen Contest weit zurück. Große Teile Europas stagnieren, während in allen anderen Regionen der Welt ein kräftiger Aufschwung längst eingesetzt hat. Werden möglicherweise die falschen wirtschaftspolitischen Töne gespielt?

Viele haben die Staatsausgaben gesenkt statt mittels verstärkter öffentlicher Investitionen das Wachstum anzukurbeln. Nicht nur in Österreich werden Kapitalgesellschaften entlastet und ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen belastet statt Armut zu bekämpfen und die Kaufkraft zu stärken.

Studiengebühren werden eingeführt statt Investitionen in Bildung zu tätigen und spezifisch österreichisch werden Mütter durch das Kindergeld sanft vom Arbeitsmarkt gedrängt statt Frauenförderung durch Gleichstellungspolitik zu betreiben.

In Österreich wurde die neoliberale Agenda besonders intensiv betrieben und durch wertkonservative Sozialpolitik ergänzt. Österreich liegt im internationalen Contest besonders weit zurück.

Falscher wirtschaftspolitische Weg

Die Zurückdrängung aktiver Wirtschaftspolitik ist der falsche wirtschaftspolitische Weg. Joseph Stieglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft, schreibt: "Defizitfalken predigten, fiskalische Austerität werde das Vertrauen wiederherstellen, und dies werde die Konjunktur erneut beleben. Sie wollten einfach nicht wahrhaben, dass eine expansive Fiskalpolitik erwiesenermaßen die beste Arznei gegen einen konjunkturellen Abschwung ist."

Österreich sollte solche Maßnahmen sinnvollerweise im europäischen Gleichklang setzen, jedoch steht die Bundesregierung in der vordersten Reihe jener, die den fiskalischen Gürtel noch enger schnallen wollen.

Monotone Begleitband

Wer den Song Contest kennt, wird auch die Qualität der Begleitband schätzen. Es schadet dem Sound unzweifelhaft wenn der Begleitband vorgegeben ist nur bestimmte Töne zu spielen und andere nicht.

Die EZB ist nur auf die Bekämpfung der Inflation ausgerichtet. Es wäre hoch an der Zeit, Wachstums- und Beschäftigungsförderung als Ziele einer ausgewogenen Geldpolitik institutionell festzuschreiben.

Eine Zinssenkung durch die EZB hätte die Investitionsbereitschaft gestärkt, den Anstieg des Euro gebremst und die Exportaussichten verbessert.

Österreich und Europa brauchen einen grundlegenden Wandel der Wirtschaftspolitik. Sonst heisst es auch nächstes Jahr wieder: Austria: zero points, Autriche: zero points, Österreich: null Punkte.