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Foto: APA/Barbara Gindl
Er hat bei einem jener seltenen "Meister" studiert, die wenig Interesse an sich selbst hatten. Siegfried Anzingers Lehrer an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Maximilian Melcher, konnte, ohne in Koketterieverdacht zu gelangen, Folgendes behaupten: "Das Um und Auf in diesem Geschäft ist: Derjenige, der rauskommt, muss besser sein als ich. Und die guten Leute sind besser geworden."

Siegfried Anzinger hat seine Akademiezeit (1971-1977) als einer der Guten überstanden. Und wurde in wilde Zeiten entlassen: Aufbegehren war angesagt. Einige der Jungen wollten mit puritanischen Minimal- und Konzeptformeln nichts mehr zu tun haben. Nicht, dass sie die vergeistigten Väter nicht geschätzt hätten. Aber deren Verkopfung ging den jungen Bäuchen ganz ordentlich auf den Pförtner. Schließlich hatten die Sex Pistols ja schon gezeigt, wie man mit todlangweiligen, Brechreiz erregend virtuosen Superstar-Groups umgeht: den Bauchgefühlen freien Lauf lassen. In Hamburg erbrach sich derart Martin Kippenberger. In Köln sorgte die Mühlheimer Freiheit für zeitgeistige Erleichterung. In Italien hatte der Theoretiker Achille Bonito Oliva gerade die Transavanguardia ausgerufen, um den romantisch revolutionären Bildwerken Sandro Chias oder Francesco Clementes eine Marke aufzudrücken.

Der Kunsthandel reagierte erfreut. Die österreichischen Qualitätsprodukte fasste Wilfried Skreiner als Neue Malerei zusammen. Das Logo sollte auch für Anzinger hilfreich sein. Nach ersten Ausstellungen in der Wiener Galerie Ariadne, bei Krinzinger in Innsbruck und Six Friedrich in München schmückten 1982 Anzingers die documenta 7 in Kassel und die Zeitgeist-Schau im Berliner Gropius-Bau. In eben jenem Jahr verließ er auch Wien zugunsten Kölns, wo er seither mit seiner Frau, der Malerin Marie-Louise Lebschik, lebt. "Wien", sollte er später einmal sagen, "das ist ein Nest, in dem man sich gehen lassen kann. In Köln hingegen fühle ich mich sicher." Seit 1997 bekleidet er dort auch eine Professur.

Noch Ende der 80er-Jahre holte Hans Hollein Siegfried Anzinger als Österreichs Vertreter zur Biennale nach Venedig. Da war er gerade 35 und "ausnahmsweise" schon in so jungen Jahren mit dem Oskar-Kokoschka-Preis dekoriert worden. Gestern kam noch der Große Österreichische Staatspreis 2003 samt Ausstellung in der Albertina dazu.

Seine "libidinös, spätpubertäre Wurschtlphase" aus den heftigen Zeiten hat er längst überwunden. Längst verwendet er Bildgeschichten bloß noch als dramaturgischen Trick, um die Aufmerksamkeit auf das Eigentliche zu lenken. Das Eigentliche trifft für Anzinger die Kunst dort, wo sie Antworten auf nie gestellte Fragen gibt. "Ich bin kein behauptender Mensch, eher suche ich zu klären." (Markus Mittringer/DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2004)