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Foto: APA/Großruck
Alpbach - Das Verkehrsministerium prognostiziert einen kräftigen Anstieg beim Lkw-Verkehr über die Alpen. Nach einer Studie des Ressorts, die auf einem Transitkongress im Tiroler Alpbach veröffentlicht worden ist, könnte die Zahl der Lkw am Brenner von rund 1,6 Millionen im Vorjahr bis 2015 auf 2,24 Millionen ansteigen. Das entspräche einem Zuwachs von 45 Prozent, so Ministeriums-Experte Erwin Kastberger in seinem Vortrag.

"Prognose zu optimistisch"

Für Ludwig Schmutzhard von der Tiroler Landesregierung ist diese Prognose noch "zu optimistisch". Allein im ersten Quartal ist der Lkw-Verkehr am Brenner um 15 Prozent gestiegen, im April alleine um 21 Prozent.

Verlagerung auf den Brenner

Grund für den Anstieg ist laut Ministerium unter anderem der Wegfall der Ökopunkteregelung seit Jahresbeginn und - als eine Konsequenz davon - ein Rückgang um rund 10 Prozent bei der Rollenden Landstraße, welche die Laster auf der Bahn transportiert. Dazu kämen Kapazitätsengpässe in Frankreich und hohe Mauten und zusätzliche Verkehrsbeschränkungen in der Schweiz, die zu einer Verlagerung des Nord-Südtransits auf den Brenner führten. Nach der geplanten Anhebung der Lkw-Maut in der Schweiz um 50 Prozent 2005 werde die Alpenquerung bei den Eidgenossen mit 200 Euro knapp doppelt so teuer sein wie in Österreich mit derzeit 111 Euro. Die Transitbelastung werde sich dadurch in Österreich noch verschärfen, so Schmutzhard.

Hauptursache EU-Erweiterung

Massive Verkehrszunahmen erwartet das Ministerium auch auf den Alpenquerungen im Osten Österreichs. Am Semmering könnte sich der Lkw-Verkehr auf 1,7 Mio. Schwerfahrzeuge gar mehr als verdreifachen, am Schoberpass wird ein Zuwachs von bis zu 140 Prozent auf 2,4 Mio. Lkw prognostiziert, am Tauernpass ein Anstieg um 80 Prozent auf bis zu 1,7 Mio. Fahrzeuge. Der Zuwachs auf diesen drei Routen ist laut Kastberger wesentlich auf die EU-Erweiterung zurückzuführen, aber auch auf eine Zunahme im innerösterreichischen Verkehr.

Stärkere Kontrollen der Lenkerruhezeiten bei Lkw, meint Kastberger, könnten eine leichte Rückverlagerung auf die Rollende Landstraße bringen. Weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Transitverkehrs - etwa Fahrverbote auf Grund des Imissionsschutzgesetz Luft (IG Luft) - sind laut dem Beamten aber "nicht einfach umzusetzen". Eine Fertigstellung des Brenner-Basistunnels, der einen Verlagerungsschub auf die Schiene bringen könnte, sei nicht vor 2015 zu erwarten. Von einer stärkeren Verlagerung zu Bahntransporten sei in den nächsten Jahren daher nicht auszugehen.

Während am Schweizer Gotthard der Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr bei über rund 70 Prozent liegt, beträgt der Schienenanteil am Brenner nur knapp ein Viertel. Insgesamt werden in Österreich laut ÖBB rund 38 Prozent der Güter auf der Schiene befördert.

"Fahrverbote gerechtfertigt"

Aus Sicht des Innsbrucker Europarechtsexperten Walter Obwexer stehen Österreich und Tirol "einige Möglichkeiten offen, um den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen und damit den Verkehr einzudämmen". Obwexer spricht sich vor allem für neue Fahrverbote in der Nacht und für alte Lkw aus. Für den Innertiroler Verkehr kann sich der Europarechtsexperte Übergangsregelungen vorstellen. Die EU werde gegen diese Maßnahmen nichts unternehmen können, wenn sie gewisse Auflagen erfüllten, sagte Obwexer beim Transitkongress in Alpbach.

"Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung" ebenso wie eine nachhaltige 60-prozentige Reduktion des Schadstoffausstoßes aus dem Verkehr seien jedenfalls explizites Ziel der Transitvereinbarung mit der EU gewesen. Bis zur Gewährleistung der Vorgaben durch eine EU-weite Regelung habe sich Brüssel zu einer Übergangslösung verpflichtet. Die Vereinbarung gelte nach wie vor. Die im Vorjahr beschlossene teilweise Verlängerung der Ökopunkte-Regelung werde nur "nicht angewandt", weil sie keine Beschränkung des Lkw-Verkehrs gebracht hätte und die Regelung wie vorgesehen teilweise gar nicht administrierbar gewesen wäre.

"Österreich berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen"

Österreich und Tirol seien daher berechtigt, selbst Maßnahmen zu ergreifen, wenn dabei einige Grundsätze beachtet würden: Die Maßnahmen dürften unterm Strich ausländische Lkw nicht härter treffen als inländische Lkw. Die Maßnahmen müssten verhältnismäßig sein, d.h. es dürfe keine Maßnahme geben, die den Verkehr bei gleicher Wirkung weniger beeinträchtige. Und es müsse "einen gewichtigen Grund" für die Maßnahme geben - etwa die Überschreitung der Schadstoff-Grenzwerte, die die EU vorgegeben hat, bzw. der strengeren österreichischen Grenzwerte, wenn diese z.B. wegen der Alpentäler argumentierbar sind.

Laut dem Europarechtler könnte unter diesen Gesichtspunkten das bestehende Nachtfahrverbot auf die Zeit von 20 Uhr abends bis 8 Uhr früh ausgedehnt werden. Auch Fahrverbote für alte und umweltbelastende Transit-Lkw könnten rasch umgesetzt werden. In weiterer Folge müssten diese Verbote wegen dem Diskriminierungsverbot auch für Tiroler Lkw gelten. Übergangsregelungen für den Regionalverkehr seien aber möglich, weil der Transit leichter auf die Bahn ausweichen könne. Außerdem habe die EU ursprünglich ab heuer selbst ein Fahrverbot für besonders alte Transit-Lkw vorgesehen, so Obwexer.

Neue Lkw-Obergrenzen denkbar

Neben den Fahrverboten kann sich der Experte auch Geschwindigkeitsbeschränkungen vorstellen. Außerdem wären als "Sicherheitsmaßnahme" neue Lkw-Obergrenzen denkbar. So hätten die Franzosen etwa beim Mont Blanc-Tunnel Kapazitätsbeschränkungen eingeführt.

Sogar die Hoffnung auf eine neue Ökopunkteregelung besteht laut Obwexer noch. Österreich hat gegen die unzureichende Verlängerung der Ökopunkteregelung eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht. Bekommt Österreich Recht, muss die EU eine neue Übergangsregelung beschließen - wenn bis dahin noch kein gesamteuropäisches Konzept zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit vorliegt. Ein Urteil des EuGH wird allerdings nicht vor 2006 erwartet. (APA)