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Wien - "Es ist wichtig, das Urmaterial vom Schaffen der Niki de Saint Phalle kennen zu lernen, das schließlich zu den berühmten Nanas führte", meinte Peter Baum, ehemaliger Direktor des Linzer Lentos-Museums bei der heutigen Pressekonferenz im KunstHausWien. "Die Geburt der Nanas" heißt die Ausstellung von 90 Arbeiten der sechziger Jahre, die aus dem Besitz des Sprengel Museums in Hannover stammen (19. Mai bis 26. September). Noch vor den legendären Frauenfiguren "Nanas" erregte de Saint Phalle (1930 - 2002) mit ihren Materialbildern, Assemblagen und aktionistischen Schießbildern, die sich gegen Gewalt und eine patriarchale Gesellschaft wandten, internationale Aufmerksamkeit.

Künstlerisch sublimierte Aggressionsabfuhr

"Und Jasper Johns, Robert Rauschenberg und all die berühmten Zeitgenossen schossen alle mit", meinte Baum weiters. Ulrich Krempel, Direktor des Sprengel Museums in Hannover, ergänzte: "Niki fand die Kunst als Mittel, 'um nicht verrückt zu werden', wie sie mir erzählte. Denn anfangs stand sie in ärztlicher Behandlung und erhielt Elektroschocks". Dem voran ging ihr gescheiterter Versuch, ein bürgerliches Leben mit Ehemann und zwei Kindern zu führen, doch nach ihrer Scheidung und Trennung auch von den Kindern lebte sie nur mehr für ihre Arbeit, unterstützt durch ihren zweiten Ehemann Jean Tinguely (1925 - 1991).

Die "Schießbilder" dienten hervorragend der künstlerisch sublimierten Aggressionsabfuhr, in dem de Saint Phalle Leinwandtafeln mit Farbbeuteln versah, die nach den Schüssen für spannende Kombinationen sorgten. So zählte sie mit diesen und anderen Materialbildern alsbald zu den "Nouveaux Réalistes" und nannte sich damals eine "Terroristin der Kunst". Im Grunde versuchte sie, sich von schrecklichen Kindheitserlebnissen zu befreien. "Ich schoss gegen Daddy, gegen alle Männer", meinte sie dazu. Aufzuarbeiten hatte sie einiges, vom sexuellen Missbrauch bis zu verlogenen bürgerlichen Moralvorstellungen.

Die "Nanas": Eine expansive Spezies

Noch vor dem offiziellen Feminismus brachte sie weibliche Formen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die "Nanas", kurvige Plastik-Matronen, mit denen die Künstlerin 1964 zum ersten Male von sich reden machte, stehen oder liegen fast überall: In Paris, New York, Brüssel, Genf, Tokio, Luzern, Amsterdam und Los Angeles. Für die große Halle des Moderna Museet in Stockholm schuf sie 1966 die "Größte Hure der Welt" - das liegende Überweib ist sechs Tonnen schwer und 27 Meter lang. Durch die "keineswegs geheime Öffnung" zwischen den Schenkeln strömen täglich rund 2.000 Besucher in ihr komfortables, mit Bar und Bibliothek ausgestattetes Inneres.

Im Sommer 2000 übereignete Niki de Saint Phalle dem Sprengel Museum in Hannover mehr als 300 ihrer Werke. Mit dem großzügigen Geschenk kehrte die Künstlerin gewissermaßen zu ihren Wurzeln zurück, denn 1969 hatte sie in Hannover eine ihrer ersten großen Ausstellungen.

Die "Nanas" kosteten Niki de Saint Phalle schließlich das Leben, denn während deren Herstellung aus Polyester hatte sie jahrelang gefährliche Dämpfe eingeatmet und zog sich dadurch ein Emphysem in der Lunge zu, dem sie am 21. 05. 2002 in San Diego erlag.(APA)