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Der Prozess in der vom US-Militär abgesperrten "Grünen Zone" soll öffentlich sein, aber nicht im irakischen Fernsehen übertragen werden.

Foto: Reuters

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Lt. Stanley L. Martin (li.) and Spc. Jeremy C. Sivits vor Gericht

REUTERS/HO/US Army
Bagdad - Im ersten Prozess um die Misshandlungen von Gefangenen im Irak ist US-Soldat Jeremy Sivits zur Höchststrafe von einem Jahr Haft verurteilt worden. Ein Militärgericht in Bagdad entschied am Mittwoch zudem, den 24-jährigen Militärpolizisten zu degradieren und unehrenhaft aus der Armee zu entlassen. Sivits hatte sich der Verschwörung zur Misshandlung von Häftlingen, der Gefangenenmisshandlung und der Pflichtverletzung für schuldig bekannt. Ein Mitglied des US-Militärgeheimdienstes warf der US-Armee unterdessen vor, das wahre Ausmaßes des Folterskandals zu vertuschen. Nach Medienberichten wussten hohe US-Militärs bereits im November von Folterungen.

Sivits schilderte Misshandlungen

Sivits wird zum Rekruten degradiert und muss nach Verbüßen der Haft wegen "schlechter Führung" die Armee verlassen. Er hatte unter anderem zugegeben, im Gefängnis Abu Ghraib bei Bagdad das weltweit bekannte Foto aufgenommen zu haben, auf dem nackte irakische Gefangene zu einer Pyramide aufgebaut sind. Mit versagender Stimme schilderte der junge Militärpolizist der 800. Militärpolizei-Brigade Misshandlungen irakischer Gefangener durch seine Kameraden Charles Graner und Ivan "Chip" Frederick.

Fotografien angefertigt

Er habe einen Häftling aus der Zelle holen müssen und ihn dann auf die im Flur zu einem Haufen aufgetürmten Mitgefangenen gestoßen, sagte Sivits vor Militärrichter Richter James Pohl aus. Graner habe sich einen Häftling aus dem Haufen gepackt und einen Faustschlag angetäuscht. Er habe Graner dabei fotografiert, sagte Sivits. Frederick habe einem anderen Gefangenen so fest gegen die Brust geschlagen, dass der Getroffene zusammengebrochen sei. "Ich glaube, ich habe ihm einen Herzstillstand zugefügt", habe Frederick gesagt. Sivits habe Erste Hilfe angefordert und dem um Luft ringenden Opfer geholfen, wieder zu atmen.

Aufforderungen zu sexuellen Handlungen

Eine Soldatin schrieb laut Sivits einem weiteren Häftling "Vergewaltiger" aufs Bein. Graner habe den Mann dann mit einem Fausthieb gegen die Schläfe bewusstlos geschlagen. "Graner sagte: 'Mist, das tut weh', meinte damit sein Handgelenk, vermutlich, weil er ihn so fest geschlagen hat, dass sein Handgelenk schmerzte", sagte Sivits. Andere Häftlinge seien mit Tüten über dem Kopf zu sexuellen Handlungen wie Oralsex und Masturbation aufgefordert worden.

Andere Beschuldigten lehnten Stellungnahmen ab

Graner, Frederick und der Mitangeklagte Javal Davis lehnten bei Anhörungen eine Stellungnahme zu den Misshandlungsvorwürfen ab. Militärrichter Pohl setzte für den 21. Juni eine weitere Vorverhandlung für die drei Soldaten an. Ihnen drohen im Zusammenhang mit den Folterungen im Abu-Ghraib-Gefängnis höhere Strafen als Sivits. Bisher sind sieben US-Militärpolizisten in der Affäre angeklagt.

Unteroffizier: "Es wird auf jeden Fall vertuscht"

"Es wird auf jeden Fall vertuscht", sagte Unteroffizier Samuel Provance am Dienstag dem US-Fernsehsender ABC. In die Misshandlungen in Abu Ghraib seien dutzende Soldaten verwickelt gewesen. Er habe die Taten zwar nicht selbst gesehen, doch hätten ihm Verhörspezialisten erzählt, dass sie Militärpolizisten zum groben Umgang mit Gefangenen angewiesen hätten. Provance war im September in Abu Ghraib für das Computer-Netzwerk des Militärgeheimdienstes zuständig.

IRRK habe der US-Armee bereits im November Bericht übermittelt

Die Zeitungen "Wall Street Journal" und "New York Times" berichteten am Mittwoch unter Berufung auf einen ranghohen US-Offizier, das IKRK habe der US-Armee bereits im November einen Bericht über zwei unangekündigte Besuche in Abu Ghraib im Vormonat übermittelt. Darin sei beschrieben, wie Gefangene tagelang nackt in dunklen Zellen gehalten und mit Frauen-Unterwäsche auf dem Kopf fotografiert worden seien. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte angegeben, seine Behörde sei erst Mitte Jänner über die Misshandlungen informiert worden. Ende Jänner leitete das Pentagon eine Untersuchung ein. Die damalige Leiterin des Gefängniswesens im Irak, Janis Karpinski, sagte der "NYT", die ranghohen US-Offiziere hätten dem Bericht generell keinen Glauben geschenkt. (APA/dpa)