Linz - Zehn Jahre nach der EU-Volksabstimmung - am 12. Juni 1994 stimmten zwei Drittel der Bevölkerung für den Beitritt - sagen nur 24 Prozent der Österreicher, dass sie aus dem Beitritt persönliche Vorteile lukrieren konnten. 46 Prozent sagen dagegen ausdrücklich, dass der Beitritt persönliche Nachteile gebracht habe. Das geht aus einer market-Umfrage für den STANDARD hervor.

"Man bekommt hier richtig den Eindruck, dass die EU-Muffeln die griesgrämigen Alten sind: Bei den über 50 jährigen ist die absolute Mehrheit der Meinung, von der EU persönlich benachteiligt zu werden. Bei den unter 30 jährigen gibt es immerhin eine relative Mehrheit, die persönliche Vorteile in der EU sieht," weist market-Studienleiter David Pfarrhofer auf altersspezifische Unterschiede hin.

Ähnlich abhängig ist die Einschätzung persönlicher Vor- und Nachteile vom Bildungsniveau: Bei Befragten mit Matura- oder Hochschulabschluss sehen 36 Prozent einen Vorteil und nur 30 Prozent einen Nachteil, für ein Drittel hat die EU gar keinen persönlichen Einfluss. Unter den Pflichtschulabsolventen sehen sich 52 Prozent benachteiligt, nur 14 Prozent spüren Vorteile.

Der STANDARD ließ auch die möglichen Motive für die Wahlentscheidung am 13. Juni abfragen. Dabei zeigt sich, dass Umwelt- und Friedenspolitik noch vor den wirtschaftlichen Fragen rangiert.

83 Prozent sehen das EU-Parlament offenbar als eine Lobby-Institution für das eigene Land: Wieder sind es besonders die älteren und dümmeren Befragten, die meinen, dass Österreichs EU-Parlamentarier "für Österreich in der EU mehr herausholen" sollten. Eine stärkere Angleichung von Österreich an den Rest der EU wünschen sich 61 Prozent von ihren Europaabgeordneten.

Für immerhin jeden zweiten Wähler geht es bei der EU-Wahl auch darum, einen EU-Beitritt der Türkei zu verhindern - und auch hier gibt es das schon bekannte Muster, dass Alte und Ungebildete etwas anderes wollen als der Rest der Bevölkerung.

Nur jeder vierte Befragte (aber immerhin jeder sechste erklärte Wähler der Koalitionsparteien) will bei der EU-Wahl gegen die österreichische Innenpolitik protestieren. Dies deckt sich mit einer am Feiertag veröffentlichten Gallup-Umfrage - ihr zufolge wollen nur zehn Prozent bei der EU-Wahl gleichzeitig der Bundesregierung "einen Denkzettel" verpassen.

Laut Gallup wollen 47 Prozent der Befragten "sicher" wählen gehen, 23 Prozent "wahrscheinlich", 12 Prozent "wahrscheinlich nicht", 13 Prozent "sicher nicht", vier Prozent geben keine Beurteilung ab. Für eine bestimmte Partei haben sich in der Gallup-Umfrage schon 35 Prozent "sicher entschieden".

Nach wie vor ist die Zustimmung für einen EU-Beitritt der Türkei am geringsten, im Falle Kroatiens am größten. Negativ beurteilt werden in diesem Zusammenhang auch Serbien, Rumänien, Bulgarien und Bosnien. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 21.5.2004)