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Foto: REUTERS/HERWIG PRAMMER
Frankreich verbietet seit kurzem alle ostentativ getragenen religiösen Symbole an öffentlichen Schulen. Gemeint ist natürlich vor allem das islamische Kopftuch, aber es fallen darunter auch die jüdische Kippa (kleine, runde Kopfbedeckung), aber auch allzu große Kreuze um den Hals. Und: Turbane.

Was ein Problem mit den Angehörigen der Sikh-Religion ergab, die im 15. Jahrhundert in Indien entstanden ist und deren männliche Angehörigen ihr Haar nicht schneiden und jeden Tag mit einem frisch gebundenen Turban bedecken. In Frankreich leben einige Tausend Sikhs. Was tun? Ein Kompromiss: Die männlichen Sikh-Schüler tragen jetzt (freiwillig) Haarnetze. Das sei nicht so "aggressiv", sagte der französischer Unterrichtsminister.

Zu solchen Verrenkungen gelangt man, wenn man versucht, persönliche religiöse Symbole zu verbieten. Die französische Maßnahme entspringt einem nachvollziehbaren Gedanken: Unter den fünf bis sieben Millionen MuslimInnen in Frankreich gibt es genug Militante und Radikale, die versuchen, die eigenen Mädchen und Frauen unter ihr mittelalterliches Gesellschaftsverständnis zu zwingen - und gleichzeitig durch ostentative "Uniformierung" ein drohendes politisches Statement abzugeben.

Der manchmal verwendete Begriff "Islamo-Faschismus" trifft die Sache nicht ganz, aber es besteht kein Zweifel, dass die radikalen IslamistInnen einen diktatorischen Machtanspruch stellen, nach innen wie nach außen.

Dennoch sind generelle Verbote wie in Frankreich mit großer Sicherheit ein Irrweg. Wenn die westliche liberale Gesellschaft, die an Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung der Frauen und an die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche glaubt, ihre eigenen Werte nicht durch Vorbild und Überzeugung verteidigen kann, dann wird sie es durch Verbote auch nicht erreichen. Die moderne westliche Gesellschaft bei all ihren Defiziten und Defekten ist stark genug, um diesen Vergleichstest zu bestehen.

Selbstverständlich gibt es da zwei wichtige Einschränkungen. Die Mädchen und Frauen, aber auch die Männer, die zwar in Europa, aber in einem strengen islamischen Milieu leben, haben drastisch reduzierte Chancen, für sich selbst eine freie Wahl zu treffen oder sich auch nur zu informieren. Die Aufklärung - nach Kant der "Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit" ist da nicht so leicht. Nicht wenige suchen in der Rigidität der islamischen Lebensform sogar Halt und Orientierung in einer verwirrenden und oft abstoßenden westlichen Realität. Trotzdem ist es besser, auf die Kraft der Integration und Assimilation zu setzen.

Allerdings nur, und das ist die zweite Einschränkung, bei jenen, die sich an die demokratischen Spielregeln und an die politische Kultur der Liberalität halten. Hassprediger sind nach den österreichischen Gesetzen ("Verhetzungs-Paragraf") zu behandeln, aggressive Proselytenmacher zu beobachten und gegebenenfalls administrativ zu bremsen.

Es war daher richtig, dass die Schulbehörde das Kopftuchverbot an einer oberösterreichischen Schule wieder zurückgenommen hat. Gleichzeitig ist jedoch auch von der islamischen Gemeinde Gegen-Toleranz einzufordern. Dazu muss man allerdings zunächst wissen, was vorgeht.

Zwangsehen, seltsame Predigten in diversen Moscheen, Gettoisierung - von diesen Dingen wissen wir so gut wie nichts. Das ist ein Versäumnis, das rasch behoben werden sollte. Mit Verboten sollte man jedoch vorsichtig sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 21.5.2004)