Die neue Definition der Chefarztpflicht durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger und die für die Patienten unbürokratische Genehmigung von Therapien stoßen auf Widerstand der niedergelassenen Ärzte: Sie fürchten neue Belastungen in Ordinationen.

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Wien - Wer aufwändigere Therapien oder teurere Medikamente braucht, benötigt noch etwas: Nämlich die Geduld, sich um die Bewilligung der Kosten durch den Chefarzt des jeweiligen Sozialversicherungsträgers anzustellen. Diese Bewilligung wird bei 85 Prozent der Patienten ohne weitere Untersuchung erteilt, aber der Sozialversicherte muss darum bitten. Von 4720 lieferbaren Arzneispezialitäten unterliegen 1707 besonders teure der Chefarztpflicht.

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger will den Patienten künftig bei chefarztpflichtigen Verschreibungen den persönlichen Gang zur Krankenkasse ersparen. Die Last der Bewilligung läge dann bei den Ärzten - und die wollen das nicht so einfach übernehmen.

Rezept statt Patient

Ab 1. Jänner 2005 sollte nämlich nur mehr das Rezept (und nicht der Patient) zum Chefarzt: Zwischen sieben Uhr früh und 20 Uhr abends könnten die niedergelassenen Ärzte ihre Verschreibungen an die Krankenkasse mailen oder faxen; innerhalb von 30 Minuten würde die Bestätigung erteilt - und der Patient könnte sie gleich mitnehmen.

Graue Theorie, meint Reiner Brettenthaler, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Er erwartet ein "bürokratisches Chaos". Brettenthaler befürchtet durch die halbstündigen Wartezeiten in Ordinationen mit vielen chronisch kranken Menschen und alten Patienten "Warteschlangen wie seinerzeit vor den ehemaligen Supermärkten des Ostblocks". Statt die Chefarztpflicht weiter auszubauen, sollte man "diese unnotwendige bürokratische Patientenhürde in naher Zukunft vollkommen abschaffen".

"Unsinn"

Ein klares Nein kam auch von den niedergelassenen Ärzten, sie sprechen von "Unsinn". Deren Obmann, Jörg Pruckner, meinte, es sei angesichts des Vorschlages des Hauptverbands "keinerlei Besserung" erkennbar. Es gebe kein Management in Richtung eines direkteren Zugangs zu modernen Medikamenten.

Josef Probst, zuständiger Geschäftsführer im Hauptverband, klagt, die Ärztekammer habe kurz vor Vertragsabschluss "unerwartete und überzogene Forderungen" gestellt, nämlich elf Euro pro Bewilligungsvorgang.

Auch Pharmig dagegen

Und auch die Pharmig reagierte ablehnend. "Die Chefarztpflicht ist eine sinnlose Schikane für die Patienten, die ersatzlos abgeschafft gehört", so Präsident Hubert Dreßler. Statt zur Krankenkassen zu pilgern, müssten die Patienten dann eben in der Ordination warten.

Im Gesundheitsministerium will man erst nach genauer Durchsicht der vom Hauptverband ausgearbeiteten neuen Richtlinie eine Stellungnahme abgeben, hieß es am Freitag im Büro von Ministerin Maria Rauch-Kallat. (APA/cs, DER STANDARD, Printausgabe 22./23.5.2004)