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Gehirn ist kein Quantencomputer
Zellen sind dafür zu langsam, ihre Temperatur ist zu hoch
Washington - Arbeiten unsere Gehirne wie Quantencomputer? Das postulierte vor einigen Jahren zumindest Sir Roger
Penrose, genialer Physiker, der zusammen mit seinem Schüler Stephen Hawking schon einmal mit einer inzwischen
anerkannten Idee verblüffte, der der Schwarzen Löcher im Universum.Katze in einer Schachtel
Diesmal geht es nicht um Kosmologie, sondern um jenes rätselhafte Geschehen im Gehirn, bei dem etwas "Vorbewusstes"
plötzlich "Bewusstsein" wird, sich mit einem Schlag zu einem "Gedanken" verfestigt. Ein Modell für solche Übergänge von
Unbestimmtem in Bestimmtes findet Penrose in der Quantenphysik, wo kleinste Teilchen verschiedenste Zustände zugleich
haben können ("Superposition") und erst in Kontakt mit der Umwelt einen Zustand annehmen ("kollabieren"). Ernst
Schrödinger hat das in das Paradox der Katze in einer Schachtel gefasst, die zugleich tot und lebendig sein kann und erst
beim Öffnen eine Variante zeigt und hat.
"Quanten-Bewusstsein"
Ganz ähnlich, spekulierte Penrose, könnte es mit völlig vagen Assoziationen sein, die kreuz und quer durch das Gehirn
schießen und sich endlich zu einem Gedanken verfestigen. Zu diesem "Quanten-Bewusstsein" bräuchte es nur noch eine
"hardware" im Gehirn. Penrose vermutet sie in "microtubules", kleinen Protein-Röhren, die unsere Zellen, auch die Hirnzellen,
umkleiden. Diese Proteine können zwei Zustände annehmen - ausgestreckt und zusammengezogen -, sie könnten sie auch
zugleich annehmen und sich erst beim fertigen Gedanken "verfestigen".
zehn hoch minus drei
Den Quantenphysikern war die Spekulation zu gewagt, aber andere haben sie so ernst genommen, dass nun gar ein
Widerlegungsversuch vorliegt: Ein Physiker der University of Pennsylvania hat berechnet, wie lange "microtubulus" in
Superposition bleiben könnten, bevor sie kollabiert: Zehn hoch minus 13 Sekunden maximal. Aber die schnellsten Hirnzellen
arbeiten mit zehn hoch minus drei Sekunden, viel zu langsam, um die Quanten zu nutzen.
Nullpunkt
Das liegt an der Temperatur, das Gehirn ist zu warm. Sollte es arbeiten wie ein Quantencomputer, müsste es fast auf den
absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Penroses Anhänger sind von dem Einwand allerdings nicht überzeugt. (Science, Vol.
287, S. 791) (jl)