Wie finanziert sich Amnesty International?Coeln: Wir haben einen weltweiten Grundsatz und der heißt: "No goverment money." Das geht so weit, dass wir sagen, eigentlich sind sogar Zivildiener eine staatliche Unterstützung. Und das widerspricht unserem Grundsatz. Das bedeutet also kein Geld von Bund, Land und EU. Unterstützungen von Gemeinden sind an und für sich zulässig, wir haben aber keine hier in Salzburg. Sonst finanzieren wir uns hauptsächlich durch die Spenderinnen und Spender als Haupteinnahme und Benefizveranstaltungen. Unregelmäßig kommt auch aus Testamenten was ins Budget. Aber keine Subventionen. Das ist auch sehr angenehm. Wir sind nicht erpressbar durch die Drohung "Wir streichen euch das Geld, wenn ihr negativ berichtet", und das bleibt auch so. Erntet Amnesty mit seiner Arbeit hin und wieder auch mal Kopfschütteln? Coeln: Wenn das Land, für das wir uns einsetzen, weit weg ist, zum Beispiel Folter im Irak, finden es alle Klasse, was wir machen. Je näher das rückt, desto kritischer werden die Leute. Wenn wir zu Österreich etwas thematisieren und da sind wir eher vorsichtig, kann man endlose Diskussionen am Stand haben. Je weiter weg, desto mehr Unterstützung, je näher, desto mehr Kritik. Wird Amnesty in Österreich sehr unterstützt? Coeln: Rein von der Zahlenseite angeschaut, ist die Zahl der Menschen in Österreich, die uns unterstützen, höher als in Italien und Deutschland. Wenn zum Beispiel hochrangige Politiker ins Ausland fahren und wir geben Dokumentationen von Menschenrechtsproblemfällen mit, mit der Bitte, sich dort für das Freilassen von Personen einzusetzen, ist das unproblematisch. Sobald das näher rückt, wir haben durchaus auch Bedenken bei EU-Ländern, nimmt keiner was mit. Das ist chancenlos. Auch wegen der offiziellen Stellungnahme der EU: Bei uns gibt es keine menschenrechtlichen Probleme. Wir sind ein Gebiet der Sicherheit und des Rechts, und was es gibt, sind allenfalls Einzelfälle.

Wie ist das Menschenrechtsbewusstsein in Österreich?
Coeln: Ich würde mich nicht trauen zu prognostizieren, wie eine Volksabstimmung über die Todesstrafe in Österreich ausgeht. Ich glaube zwar, dass es eine Mehrheit gegen die Todesstrafe gibt, aber immer noch eine erdenkliche Minderheit dafür ist. Im Parlament selber, im Gesetzwerdungsprozess, werden Stellungnahmen von Ai aufgenommen. Aber ob es politisch opportun ist, dass das umgesetzt wird, kann man generell nicht sagen. Österreich ist weiterhin im Jahresbericht von Amnesty drinnen. Ich glaube auch nicht, dass es da raus fallen wird, weil Menschenrecht mehr ist, als nur das Bewusstsein, man darf nicht foltern. Kernbereich von Menschenrechte ist Diskriminierung, das ist unser Thema und Diskriminierung in Österreich existiert.

In Österreich sind alle vier Parteien gegen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Gibt Amnesty hier Stellungnahmen bezüglich der Menschenrechte in der Türkei an die Regierung ab?

Coeln: Nein. Das Anliegen ist schon öfter an Amnesty herangetragen worden, eine Art menschenrechtliches Gütesiegel für Beitrittskandidatenländer zu vergeben. Das machen wir grundsätzlich nicht. Das würde ziemlich sicher zu einer Instrumentalisierung von uns führen. Die Türkei nimmt einen nicht unbeträchtlichen Platz im Jahresbericht ein. Aber ich glaube, dass sich Situationen gebessert haben, wie die abnehmende Diskriminierung von Frauen im Eherecht, oder auch im Bereich der Benutzung von kurdischer Sprache. Aber eine generelle Empfehlung kommt von Amnesty nicht.(ven)