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Der Sieger - Horst Köhler.

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Nach der Verkündung des Ergebnisses umarmte Kanzler Gerhard Schröder seine Kandidatin.

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Berlin - Horst Köhler war sich sicher, zum neuen Bundespräsidenten gewählt zu werden. Der Kandidat von CDU/CSU und FDP posierte am Sonntag im Reichstagsplenum für Fotos und gab Autogramme, als die 1204 Mitglieder der Bundesversammlung noch dabei waren, ihre Stimme abzugeben. Er erhielt im ersten Wahlgang 604 Stimmen - eine Stimme mehr als nötig.

18 Oppositionelle stimmten nicht für Köhler

CDU/CSU und FDP verfügten über 19 Wahlleute mehr als die absolute Mehrheit. Damit haben 18 Wahlleute aus dem konservativen und liberalen Lager überraschend nicht für den 61-Jährigen gestimmt. Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus 602 Abgeordneten des Bundestags und 603 Vertretern, die Landtage gemäß ihrer parteipolitischen Zusammensetzung entsandten. Mit dabei war auch der von der CDU nominierte umstrittene Wahlmann Hans Filbinger, der als NS-Richter an Todesurteilen beteiligt war.

Schwan - Kandidatin für alles mögliche

Seine Gegenkandidatin, die von SPD und Grünen aufgestellte Politologieprofessorin Gesine Schwan, kam auf 589 Stimmen. Da SPD und Grüne nur über 548 Wahlleute verfügten, mussten mindestens 41 Mitglieder anderer Fraktionen oder fraktionslose Delegierte für sie votiert haben. Schwan, die sich am Tag vor der Abstimmung verlobt hatte, gilt nach ihrem engagierten Einsatz als Kandidatin für alle möglichen Ämter, die die SPD zu besetzen hat.

Ministeramt nicht ausgeschlossen

SPD-Chef Franz Müntefering schloss ein Ministeramt für Schwan am Sonntag nicht aus und betonte, er wolle sie ermuntern, weiterhin politisch tätig zu sein. Laut Umfragen wäre Schwan gewählt worden, würde es in Deutschland wie in Österreich eine Direktwahl des Bundespräsidenten geben. Die 61-jährige bleibt aber Präsidentin - sie leitet die Europauniversität in Frankfurt an der Oder.

"Grundlegende Erneuerung"

Bei seinem ersten Auftritt als gewählter Bundespräsident forderte Köhler "eine grundlegende Erneuerung des Landes". Als Präsident werde er auf Reformen drängen. Köhler forderte weiters, dass mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden müsse. Er wolle ein Präsident "für alle Deutsche sein und für alle Menschen, die hier leben". Deutschland habe ihm viel gegeben, sagte der in den Kriegswirren auf dem heutigen polnischen Gebiet geborene Köhler. "Davon möchte ich etwas zurückgeben. Ich liebe unser Land."

Machtwechsel

Die Opposition interpretierte die Wahl Köhlers als Signal für einen Machtwechsel in Berlin. CDU-Chefin Angela Merkel, die Köhler als ihren Kandidaten durchgesetzt hatte, erklärte, dies sei "ein Zeichen der bürgerlichen Parteien gegen Rot-Grün". Sie rechne aber damit, dass Rot-Grün bis 2006 im Amt bleibe. Die Union sei aber bereit für die Übernahme der Regierungsgeschäfte. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle gab ein klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit der Union ab. "Es gibt Mehrheiten jenseits von Rot-Grün." CSU-Chef Edmund Stoiber meinte, Köhler werde ein "sehr politischer Bundespräsident" sein.

Merkel wies Weizsäckers Kritik zurück

Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hatte zuvor in einer Versammlung der Unionswahlleute CDU und CSU ungewöhnlich deutlich vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung der Bundespräsidentenwahl gewarnt. Merkel wies die Kritik Weizsäckers zurück: "Es bleibt uns unbenommen - nicht Herrn Köhler, aber uns - dass wir weiter sagen dürfen, wie wir das alles verstehen."

Köhler tritt die Nachfolge von Johannes Rau am 1. Juli an. Der frühere SPD-Politiker Rau war ein eher unscheinbarer Bundespräsident geblieben. Rau erhielt bei einer Umfrage die Schulnote 2,6. (DER STANDARD, Printausgabe 24.5.2004)