Brüssel - Die milliardenschwere Sanierung des angeschlagenen französischen Mischkonzerns Alstom hat zum offenen Streit zwischen EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti und dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy geführt.

Letzte Warnung

Die EU-Kommission besteht auf Verpflichtungen zu industriellen Partnerschaften mit einer festen Frist für einen bedeutenden Teil der Alstom-Aktivitäten, teilte Monti am Montag in Brüssel in einer Erklärung mit, die von Beobachtern als "letzte Warnung" an Sarkozy gewertet wurde.

Mit dem harten Kurs der Kommission steigen die Chancen des deutschen Alstom-Konkurrenten Siemens, der nach Medieninformationen an Gemeinschaftsunternehmen in Kernsparten interessiert ist.

Frankreich will nach früheren Informationen eine allgemeine Verpflichtung auf Sicht von fünf Jahren, wenn Alstom saniert ist und aus starker Position heraus verhandeln kann.

Monti erklärte: "Die Verpflichtungen im Hinblick auf industrielle Partnerschaften sind bedeutende Bestandteile für die Zustimmung der Kommission...". Der Kommissar telefonierte nach eigenen Angaben am zurückliegenden langen Wochenende mit Sarkozy.

Beide hatten vor einer Woche in Brüssel eine Grundsatzeinigung angekündigt, die dann innerhalb der vergangenen Woche besiegelt werden sollte. Dieser Zeitplan war wegen des Streits um die Industriepartnerschaften nicht mehr zu halten. Monti prüft eine milliardenschweres Hilfspaket für Alstom.

Spannende Entscheidung für Siemens

Die Entscheidung der Kommission ist auch von großer Bedeutung für den Münchner Siemens-Konzern, der als Interessent für mehrere Alstom-Sparten gilt. Das Alstom-Sanierungsprogramm könnte sich zudem auf die Pläne Deutschlands und Frankreichs für eine gemeinsame Industriepolitik auswirken, die in Kürze Thema eines Spitzentreffens zwischen dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem französischen Ministerpräsidenten Jean-Pierre Raffarin sein soll.

Wichtige Eckpunkte des Rettungspakets für den französischen Traditionskonzern mit 70.000 Beschäftigten waren bereits im Vorfeld durchgesickert. Wie aus mit der Situation vertrauten Kreisen verlautete, sollen Alstom-Schulden gegenüber dem Staat in Höhe von 800 Mio. Euro in Aktien umgewandelt werden, womit der Staat zu 31,5 Prozent an dem Unternehmen beteiligt wäre.

Zwei Milliarden Euro über neue Aktien

Außerdem solle der hoch verschuldete Konzern mit Hilfe seiner Banken neue Aktien ausgeben und sich somit mindestens 2 Mrd. Euro frische Barmittel in die Kassen spülen. Im Gegenzug werde der Hersteller der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge dazu gedrängt, in den kommenden Jahren Industriepartnerschaften mit - womöglich ausländischen - Konzernen einzugehen und Geschäftsteile zu verkaufen.

Hier kommt die deutsche Siemens ins Spiel. Der Münchner Konzern ist Branchenexperten zufolge am Großturbinengeschäft und der Energie-Sparte von Alstom interessiert. (APA/dpa/Reuters)