Wien - "Wir wurden nicht wirklich ernst genommen", mit diesen Worten beschreibt der Bundessekretär der Chemiearbeitergewerkschafter Peter Schaabl die Gründe für den Austritt seiner Organisation aus der von GPA und Metaller angeführten "G5" (nunmehr G4).

Immer wieder habe man versucht, die Fusionsgespräche für die G5 anzukurbeln, meint Schaab. "Aber unsere Anliegen wurden auf die lange Bank geschoben. Letztlich war der Druck der Funktionäre, endlich eine Entscheidung herbeizuführen, zu groß."

Zukunftssorgen macht man sich bei den Chemiearbeitern keine - auch wenn man nach dem Austritt die einzig verbleibende Kleingewerkschaft inmitten von drei Machtblöcken ist: Neben der "Supergewerkschaft" G4 (GPA, Metaller, Druck, Agrar-Nahrung-Genuss) haben sich Gemeindebedienstete, Eisenbahner, Postler, Bau- und Holzarbeiter unter dem Dachnamen "Infra" zusammengefunden. Dritter Machtblock ist die ÖVP-dominierte Beamtengewerkschaft.

Schaabl: "Wir sind politisch eigenständig und stehen zu Kooperationen bereit." Schon bisher teilt sich die Chemiegewerkschaft mit den Metallern, Druckern und Agrar-Nahrung-Genuss ein Bildungsbüro, Kollektivvertragsverhandlungen werden für Arbeiter und Angestellte gemeinsam mit der Gewerkschaft der Privatangestellten verhandelt.

Durch den Absprung der Chemiearbeiter wird die Ausgangslage für die Fusion allerdings schwieriger, wie Drucker-Chef Franz Bittner im aktuellen trend ausführt. "Die Chemiegewerkschaft ist einigermaßen vermögend, sämtliche Dinge - vor allem die Finanzierung des Hauses und der Miete - sind einer neuen Bewertung zu unterziehen."

"Das Haus" ist ein von Coop-Himmelb(l)au entworfener Büroturm, der von der GPA-eigenen Kleingasse GmbH auf dem Areal des Mautner-Markhofschen Kinderspitals in der Wiener Schlachthausgasse errichtet wird.

Der ursprüngliche Budgetplan sah eine gemischte Finanzierung vor: Die fünf Einzelgewerkschaften sollten laut einem Bericht des Format Erlöse aus dem Verkauf ihrer alten Stammhäuser einbringen. Agrar-Nahrung-Genuss sollte für ihren Stammsitz in der Albertgasse rund vier Millionen Euro lukrieren, die vor allem für den Erwerb des neuen Grundstückes vorgesehen waren. Die Verwertung der Liegenschaften von GPA, Druck und Chemie (veranschlagter Gesamtwert etwa 10,5 Millionen Euro) sollten zur Finanzierung der Baukosten dienen. Die Gewerkschaftsbank Bawag sollte 11,6 Millionen Euro als Kredit beisteuern.

Streit ums neue Haus Ein Finanzplan, der nach Absprung der Chemiearbeiter neu kalkuliert werden muss. Laut GPA-Chef Hans Sallmutter ist das aber "kein Problem". Sallmutter zum STANDARD: "Für uns war schon im Frühjahr 2001 klar, dass wir in die Schlachthausgasse übersiedeln. Wir haben das für uns alleine kalkuliert. Wir können das im Wesentlich kostenneutral finanzieren."

Bis Ende Mai soll nun laut Sallmutter die Finanzierung und Eigentümerstruktur für das neue Gewerkschaftshaus mit den Brudergewerkschaften verhandelt werden. Wie berichtet, könnte die G4-Zentrale vom ÖGB-eigenen "Restitutionsfonds der freien Gewerkschaften" übernommen werden. Am 4. Juni sollen dann die Metaller im Zentralvorstand die Fusion absegnen. "Dann beginnen die konstruktiven Gespräche", so Sallmutter. Den Zeitplan, der eine Neugründung bis Herbst 2005 vorsah, sieht er als "äußerst knapp".

Knapp wohl auch, weil der Ausstieg der Chemiearbeiter die bereits in Ansätzen ausgehandelte Postenvergabe innerhalb der neu zu gründenden "Supergewerkschaft" über den Haufen wirft. Bisher sollte der neue G5-Boss neun Stellvertreter haben: je drei der beiden großen Teilgewerkschaften GPA und Metaller, je einen der drei kleinen Gewerkschaften. Die drei kleinen Gewerkschaften waren zusammen also so stark wie eine der beiden großen. Dieses Gleichgewicht gerät jetzt ins Wanken.

Unentschieden ist auch, wer den prestigeträchtigen Posten des G4-Chefs bekommt. Eine Variante ist, dass die mitgliederstarke GPA den Chefsessel bekommt, die finanzstarken Metaller dafür die Gesamtfinanzaufsicht bekommen. Möglich ist auch ein Kompromisskandidat aus einer der beiden kleineren Teilgewerkschaften. Immer wieder genannt wird Drucker-Chef Franz Bittner (50). Fest steht nur eines: Wer immer es wird, er oder sie soll einen Generationswechsel darstellen. (Barbara Tóth/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.5.2004)