Standard: Besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der Wiener Austria und Sex?
Ludwig: Ja, absolut. In beiden Fällen sind die Erwartungen viel zu hochgeschraubt. Vor allem durch die Medien. Die fußballerische und die sexuelle Unzufriedenheit gehorchen immer derselben Formel: Erwartetes dividiert durch Erreichtes. Da kommt dann meistens nicht Gutes heraus.


STANDARD: Weshalb freut so viele Leute das doppelte Scheitern der Austria?
Ludwig:Weil es Charme hat und geil ist. Gerade wenn ein Star, der noch dazu viel Geld hat, es zum wiederholten Mal nicht schafft, haben die Leute eine rechte Gaudi. Sogar die Niederlagen der Freunde sind viel spannender als deren Erfolge. Man mag sie ja, will sich mit ihnen identifizieren. Das ist ein normaler Prozess.


STANDARD: Da kam vor Jahren der reiche Onkel aus Amerika, also Frank Stronach, der ungefähr gesagt hat, da habt's die Millionen und macht's was G'scheites. Wieso kam bisher so wenig raus?
Ludwig:Es gehört sicher auch Glück dazu. Immerhin wurde die Behauptung, dass Geld nicht alles ist, eindrucksvoll bestätigt. Wobei es mir persönlich völlig wurscht ist, wer Meister oder Cupsieger wird. Obwohl ich das Scheitern schon ganz gern habe.


STANDARD: Droht einem eingefleischten Austria-Fan nach diesen Niederlagen ein Bündel an sexuellen Problemen?
Ludwig:Nein. Er kann sich sogar davon lösen, sein eigenes Leben besser in den Griff bekommen. Bei Siegen ist das viel schwieriger. Letztlich ist ja nix passiert. Fußball ist eigentlich wurscht, es ist immer nur ein Nullsummenspiel. Die einen freuen sich, die anderen weinen. Der David ist zu stärkeren Emotionen als der Goliath fähig. Wenn er gewinnt, jubelt er schöner. Abgesehen davon ist das Scheitern notwendig, um einen Erfolg vorzubereiten, der vielleicht irgendwann eintritt.


STANDARD: Hätten Sie einen Rat für die Austria parat?
Ludwig:Sie muss endlich lernen, mit dem Scheitern lockerer umzugehen. Und die Fans sollen sich an der Bar ordentlich betrinken und ausführlich über die Misserfolge reden. Auch über die eigenen. Das ist geil, stärkt das Selbstbewusstsein.


ZUR PERSON:
Bernhard Ludwig (55) studierte Psychologie, von Beruf ist er Seminarkabarettist. Fußball interessiert ihn maximal nebenbei. Eines seiner bekanntesten Programme heißt: Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit. (DER STANDARD Printausgabe 25.05.2004)