Die amerikanische Armee bekämpft im Irak "den Terror". Die israelische Armee bekämpft in Gaza und im Westjordanland "den Terror". In Wahrheit sind beide Armeen längst in klassische Guerillakriege (wenn auch mit terroristischen Elementen) verwickelt, bei denen ein großer Teil der Bevölkerung am Kampf gegen eine Besatzungsmacht teilnimmt. Solche Kriege sind nicht zu gewinnen, schon gar nicht von den Armeen demokratischer Staaten. Die Armeen, die sie führen müssen, werden dabei unvermeidlich brutalisiert, und das ist genau das, was im Moment mit der israelischen und der amerikanischen Armee passiert.

In seinem Buch "Kriege um Israel" preist der ehemalige israelische Staatspräsident Chaim Herzog die Qualitäten der israelischen Armee: aus der Notwendigkeit heraus eine wirkliche Volksarmee, geführt von Bürger-Offizieren, die beim Sturmangriff nicht "Vorwärts!", sondern "Mir nach!" kommandierten und auch entsprechend hohe Verlustraten hatten. Inzwischen sind die arabischen Armeen keine wirkliche Gefahr mehr, die Hauptaufgabe der "Zahal" (Verteidigungsarmee) ist die Besatzung . Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery, selbst ein Elite-Veteran der "Haganah", der Befreiungsarmee des Unabhängigkeitskampfes in den 40er-Jahren, spricht von der "Transformation der ruhmreichen Israelischen Verteidigungsarmee in eine blutbefleckte Kolonialpolizei". Der bekannte israelische Schriftsteller Amos Oz, als Panzersoldat selbst ein Veteran des Sechstagekrieges von 1967, fragt nahezu gleichzeitig, wie lange noch die Wehrpflichtigen und die Reservisten der Zahal dazu missbraucht werden können, eine Minderheit von fanatischen Siedlern im Westjordanland und in Gaza zu schützen.

Im Gegensatz zur israelischen Volksarmee, in der alle Schichten der Gesellschaft vertreten sind (mit Ausnahme der Orthodoxen), sind die US-Streitkräfte seit rund 30 Jahren, seit dem Ende des Vietnamkrieges eine reine Berufsarmee. Sie rekrutiert sich aus der Unterschicht.

Dabei sind die Exzesse gegenüber irakischen Häftlingen durch Militärpolizisten zwar enorm abstoßend, aber nur ein Teil eines ultra-aggressiven "Korpsgeistes", der den Soldaten offenbar eingeimpft wurde. Schon während der Kämpfe im "regulären" Krieg häuften sich die Berichte, wonach viel zu schnell und zu leicht auf Zivilisten gefeuert wurde. Bei der Bekämpfung des Widerstands gehen die US-Soldaten offenbar mit unnötiger Brutalität vor, sei es bei der Durchsuchung von Wohnungen oder bei der Beschießung von Widerstandsnestern im dicht verbauten Gebiet. Auf erschreckende Weise aufschlussreich ist der Beschluss, weder die militärischen noch die zivilen Toten unter den Irakern zu zählen.

Der "Kampf gegen den Terror" setzte in Israel wie in den USA Prinzipien des Rechtsstaates außer Kraft, erzeugte ein Klima des "Schnappt euch die, die ihr braucht, und macht mit ihnen, was ihr wollt" (Donald Rumsfeld zugeschrieben). Rachegefühle sind nur zu verständlich, wenn man an die Zivilisten im World Trade Center oder an die Frauen, Kinder und sonstigen Unschuldigen denkt, die von Al-Kaida und den palästinensischen Selbstmordattentätern bewusst als Ziele ausgesucht wurden.

Aber das Totschlagen von Häftlingen in Abu Ghraib und das widerliche Posieren über den Leichen und den Misshandelten, das Totschießen von palästinensischen Kindern wird diese Taten nicht beenden, im Gegenteil. Dieser "Krieg gegen den Terror" ist nicht zu gewinnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.5.2004)