Am vergangenen Wochenende ist ein Titanenkampf entschieden worden: Walter Schachner, und nicht, wie fälschlich behauptet wird, der von ihm trainierte Provinzverein GAK, hat nach der österreichischen Fußballmeisterschaft nun auch noch den Cup-Pokal gewonnen. Frank Stronach, der Mäzen des Vereins Wiener Austria ist ihm höchstpersönlich unterlegen. Es war das Ende einer Tragödie griechischen Zuschnitts, die ihren vorhersehbaren und gerechten Ausgang gefunden hat.

Frank Stronach ist in den letzten zwei Jahrzehnten zum Symbol für der Österreicher Hoffnung auf Erfolg geworden. Ein kleiner Steirerbub, der in die Welt hinausging, um als Milliardär zurückzukehren. In den 50er-Jahren hatte er seine Heimat verlassen und war nach Kanada ausgewandert. Dort arbeitete er sich mit Intelligenz, Disziplin und unverbrüchlichem Optimismus zum Besitzer des größten Autozulieferbetriebs Nordamerikas hoch. Schließlich kehrte er nach Hause zurück, kaufte die Steyr-Werke und baute sie als Magna-Steyr zu einem weltweit agierenden Hightechbetrieb mit nahezu 10.000 Mitarbeitern aus.

Seine triumphale Rückkehr, verbunden mit der Schaffung von Tausenden Arbeitsplätzen ließ ihn zum Liebkind der Medien, der Politik und der breiten Öffentlichkeit werden. Alle bewunderten und bewundern bis heute das Prinzip Stronach. Bis auf einen: Stronach selbst. Ihn scheinen just jene zu faszinieren, die so ganz anders als er Karriere machen: die eloquenten Blender mit den schönen Gesichtern und den maßgeschneiderten Anzügen, die eiskalten Abzocker, die so genannte Highsociety. Von ihnen musste sich keiner durch die Ebene der Armut nach oben quälen, sie waren immer schon da, immer schon wichtig.

Walter Schachner ist aus einem anderen Holz geschnitzt: Der Trainer des GAK hat das Zeug dazu, vom Tellerwäscher zum Millionär, besser vom Elektromonteur zum Starcoach des österreichischen Fußballs zu avancieren. Wer seine Karriere verfolgt hat, weiß, dass sich da einer anschickt, ein ganz Großer zu werden. Der kleine Steirerbub Schachner begann seinen Weg als Amateurfußballer bei Alpine-Donawitz, einem Verein der zweiten österreichischen Liga. 1978 wurde er in das österreichische Nationalteam für die Weltmeisterschaft in Argentinien einberufen. Die heimische Mannschaft hatte für das erste Spiel mit Spanien einen scheinbar übermächtigen Gegner zugelost bekommen. Nach nur neun Minuten lief sich Walter Schachner an der rechten Flanke frei, schoss aus einem Winkel, den die Sportreporter "unmöglich" nennen würden, auf das Tor und brachte sein Team in Führung. Das war die Tat eines selbstbewussten Steirerbuben, der begonnen hatte, der Welt einen Haxn auszureißen. Und es war die Grundlage für den Aufstieg der österreichischen Mannschaft, der im Jahrhundertspiel von Cordoba seine Erfüllung fand.

Nach einer erfolgreichen Karriere als Profifußballer übernahm Schachner den ersten Provinzklub, den FC Kärnten, führte die Mannschaft aus der zweiten in die erste Liga und gewann mit ihr den österreichischen Fußballcup. Danach, im Jahr 2002, holte ihn Frank Stronach zur Wiener Austria. Noch konnte man glauben, dass Stronach verstanden hätte, dass Schachner so etwas wie sein Pendant im österreichischen Fußball ist, und doch hatte genau da die griechische Tragödie, das Spiel von "Schuld und Sühne" begonnen. Frank Stronach glaubte nämlich nicht an das Modell des kleinen Steirerbuben, der die Welt erobert, sondern er suchte weiter nach Glamour, Glitzer und Bluff.

Nach elf Meisterschaftsrunden, in denen sich die Wiener Austria mit nur einer Niederlage souverän an die Tabellenspitze gesetzt hatte, löste Stronach Walter Schachner ab und engagierte Christoph Daum, der soeben seine Chancen vertan hatte, Trainer der deutschen Nationalmannschaft zu werden, weil ihm verbotener Rauschgiftkonsum nachgewiesen worden war.

Der Verbannte fand schnell einen neuen Arbeitsplatz: Er übernahm den GAK am letzten Platz der Tabelle, um ihn bis zum Ende der Meisterschaft auf den zweiten Rang zu führen. Walter Schachner muss im Gegensatz zum Frank Stronach immer an das Modell des selbstbewussten Aufsteigers aus der Provinz geglaubt haben. Er arbeitete konsequent und klug weiter wie ehedem Frank Stronach in Kanada - und siehe, die Götter belohnten ihn.

Vermutlich was es Tisiphone, "die den Mord rächende" Furie, die von der Ehrentribüne des Olymp herab ihre Entscheidung getroffen hat: Der steirische Provinzklub GAK, nein, Walter Schachner ward österreichischer Fußballmeister und Cupsieger. Die sittliche Ordnung nach dem Trainermord ist wieder hergestellt, die Schuld ist gesühnt. (DER STANDARD Printausgabe 25.05.2004)