Berlin - Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist Befürchtungen der Grünen entgegengetreten, sie könnten bei der Ausformulierung des Zuwanderungsgesetzes übergangen werden.

Abstimmung selbstverständlich mit allen Beteiligten

"Es ist selbstverständlich, dass dieser Text mit allen Beteiligten abgestimmt werden muss", sagte Schily am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Er verstehe die Aufregung mancher Grüner in diesem Punkt nicht. Es sei klar, dass die Ausarbeitung eines konkreten Gesetzestextes in Ministerien vorgenommen werden müsse, betonte der Minister. Schily begrüßte die zwischen Koalition und Opposition gefundene Grundsatzeinigung zum Zuwanderungsgesetz und sagte, damit bekomme Deutschland die modernste Regelung in Europa.

Grüne Ängste, bei Gesetzesformulierung könnte vereinbarte Linie verändert werden

Die Grünen hatten zuvor beklagt, dass die Formulierung des Zuwanderungsgesetzes in einer Dreierrunde von Schily, dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) sowie Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) geschehen soll. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager erklärte nach einer Sondersitzung der Grünen-Fraktion, von Seiten der Abgeordneten sei die Befürchtung geäußert worden, dass bei der Formulierung des Gesetzes die vereinbarte Linie verändert werden könnte.

Zuvor wurde verschiedentlich Kritik geäußert

Einen Tag nach dem Durchbruch im Streit um das deutsche Zuwanderungsgesetz hatte es in Teilen der Grünen deutliche Kritik am Kompromiss von Regierung und Opposition gegeben. Nach einer Telefonkonferenz der Spitzen von Partei und Fraktion mit den Landesverbänden wurde am Mittwoch nach Angaben von Teilnehmern große Skepsis deutlich. Möglicherweise wird ein Kleiner Parteitag einberufen, um über das Ergebnis zu beraten. Vertreter von CDU/CSU zeigten sich indes erleichtert, dass die Grünen an der Ausformulierung des Gesetzes nicht direkt beteiligt würden.

Unterschiedliche Signale

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer sagte in mehreren Interviews, seine Partei habe dafür gesorgt, dass dem Gesetzesvorhaben die von den Hardlinern der Union gewollten "Giftzähne gezogen" worden seien. Dafür habe seine Partei der Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Erteilung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis und Einbürgerung zustimmen müssen. Grünen-Innenexperte Volker Beck zeigte sich dagegen enttäuscht mit der Einigung. Es sei zwar eine Modernisierung des Ausländergesetzes erreicht worden, aber "wir werden in den nächsten Jahren nacharbeiten müssen. Zukunftsfähig macht uns dieses Gesetz nicht", sagte Beck im ZDF.

Der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, es sei ein "klarer Affront gegen die Grünen", dass sie nicht an der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt seien. Bütikofer betonte, dass die Grünen von Schily an der Ausformulierung des Gesetzes beteiligt würden und kein Entwurf eingebracht werde, der den "Grünen-TÜV" nicht bestehe.

"Grüne Blockade aufgelöst"

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärte in n-tv: "Es ist schon richtig, dass die Grünen an dieser Stelle nicht wieder ihre Nickeligkeiten und Blockierungsversuche anbringen können." CDU-Verhandlungsführer Müller sagte: "Dass die Grünen nicht mehr am Tisch sitzen, ist hilfreich." Im ZDF fügte er hinzu, Schröder sei es gelungen, "diese grüne Blockade aufzulösen".

Kritik von "Pro Asyl": Es regiere große Koalition der Zuwanderungsverhinderer

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte den Kompromiss über ein Zuwanderungsgesetz als "enttäuschend". Der Öffentlichkeit werde ein X für ein U vorgemacht, erklärte Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Mittwoch in Frankfurt am Main. Statt Zuwanderung zu ermöglichen und zu gestalten, regiere jetzt nämlich eine große Koalition der Zuwanderungsverhinderer. Von den ursprünglichen Zielen des Gesetzes sei kaum noch etwas zu erkennen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bezeichnete die Einigung als Hoffnung für den angeschlagenen Standort Deutschland. Die deutsche Wirtschaft dringt schon seit langem auf ein neues Zuwanderungsrecht. Allerdings beklagte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt werde durch den Kompromiss kaum erleichtert. "Das ist kein historischer Wurf, sondern nur ein Einstieg", sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann. (APA/AP/Reuters)