Es mag schon vorkommen, dass man spätabends, beflügelt von Bier, Wein oder auch nur dem Gemeinschaftsgefühl Gleichgesinnter, einen Andersdenkenden verunglimpft. An rechten Stammtischen wird der politische Gegner dann schon mal zum "vaterlandslosen Gesellen", weil er einen anderen Heimatbegriff hat, und zum "Kommunisten", weil er eben ein anderes Verständnis von sozialer Verteilung hat. Umgekehrt mag es sein, dass an linken Stammtischen der Gegner als "Kapitalistenschwein" oder gar als "Faschist" tituliert wird, bloß weil er ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftsverständnis hat.

Mit kühlem Kopf würde man so etwas nie aussprechen. Und deswegen wird es im politischen Alltag auch nicht gesagt. Rülpsen ist zwar nicht verboten - aber es herrscht Konsens darüber, dass es nicht zum guten Ton gehört. Deswegen wirkt es ja auch so einzigartig peinlich, wenn Jörg Haider den SP-Kandidaten Hannes Swoboda als "Vaterlandsverräter" denunziert. Dass die von Haider geforderte Konsequenz, dem SPÖ-Kandidaten das Wahlrecht abzuerkennen, von seinen Parteifreunden auch noch als ernsthafter Diskussionsbeitrag gewürdigt wird, macht die Sache noch schlimmer. Wenn jemand rülpst, dann empfiehlt es sich, dies diskret zu überhören - oder den Rülpsenden mehr oder weniger diskret an die Anstandsregeln zu erinnern.

Haider aber sieht sich gefordert, nachzulegen, weil man seine Rülpser ernst nimmt - schenkelklopfender Zustimmung im nationalen Milieu (und mancher klammheimlicher Zustimmung außerhalb) kann er sich sowieso sicher sein: "Endlich" traut sich jemand zu sagen, was er denkt. Aber das, was Haider denkt, ist eben falsch: Eine andere Meinung - ob in Brüssel, Wien oder Klagenfurt geäußert - ist kein "Verrat"; schon gar nicht ist sie strafbar. Diese Freiheit der Meinung nützt Haider selbst übrigens am meisten: Seine Meinungen und sein Stil erscheinen vielen unerträglich - und sie ertragen sie dennoch. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2004)