Die Ausgliederung der ORF-Sendeinfrastruktur könnte noch heuer besiegelt werden. Ein entsprechender "Grundsatzbeschluss" soll in der Juni-Sitzung des ORF-Stiftungsrats beschlossen werden, konkret soll die "Austöchterung" im Herbst abgesegnet werden, berichtete Heinz Fiedler, Obmann des ORF-Zentralbetriebsrats (ZBR). Fiedler begleitet diesen Schritt "zustimmend, aber mit hoher Aufmerksamkeit", betonte er.

Möglicher Finanzpartner: Bawag

Vorbehalte habe er gegen den möglichen Finanzpartner für die neue ORF-Tochter: Im Gespräch sei die Bawag, und die sei immerhin Hauptgesellschafterin beim ORF-Konkurrenten ATVplus.

Stiftungsratssitzung im Juni

Alexander Wrabetz, Kaufmännischer Direktor des ORF, wollte den Stand der Vorbereitungen auf Anfrage unter Hinweis auf die Stiftungsratssitzung im Juni nicht kommentieren. Er betonte aber: "Im Hinblick auf allfällige Partner hat es noch keine Gespräche in irgendeiner Hinsicht gegeben."

Investoren mit Medieninteressen

Fiedler deponierte indes, er habe "überhaupt keine Freude mit Investoren, die Medieninteressen haben". Dies gelte in gewissem Ausmaß auch für die Raiffeisen-Gruppe, die etwa mit "Kurier" und der News-Gruppe ebenfalls ein maßgeblicher Medienplayer und auch an Sat.1-Österreich beteiligt ist. Mit der Gewerkschaftsbank Bawag könnte sich der Bürgerliche Fiedler aber so gar nicht anfreunden, schließlich sei sie nicht nur bei ATVplus, sondern auch bei Premiere an Bord. Und die beiden haben dem ORF erst unlängst die TV-Rechte an der Fußball-Bundesliga weggeschnappt. "Ich will nicht, dass man sich einen Partner an Bord holt, der dann vielleicht ein Feind ist", so Fiedler, selbst Mitglied im ORF-Aufsichtsgremium.

100 Mitarbeiter betroffen

Rund 100 Mitarbeiter wären von einer Ausgliederung der ORF-Sendetechnik betroffen, für ihre "maximale Absicherung" und die "Beibehaltung der ORF-Dienstverträge" will sich der Betriebsratchef selbstredend einsetzen.

Die Trennung von Infrastruktur, also Sendemasten und ähnlichem, und Content, also Programm, ist bei vielen europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen bereits vollzogen. Auch für den ORF wird dieser Schritt bereits seit längerem diskutiert: "Diskriminierungsfreier Zugang" für alle Marktteilnehmer lautet dabei das Stichwort.

"Strategische Jahrhundertentscheidung"

Anlass waren einerseits die Unstimmigkeiten zwischen ORF und Privatsendern, die vom Öffentlich-Rechtlichen Sendemasten anmieten müssen. Bei der Tariffrage konnte man sich mitunter nur schwer bis gar nicht einigen. Zum anderen sehen Experten im Zuge der Vorbereitungen für die Digitalisierung der österreichischen Fernsehlandschaft nun den Zeitpunkt gekommen, sich mit der Infrastrukturfrage auseinander zu setzen. Für den ORF handelt es sich dabei um eine "strategische Jahrhundertentscheidung", wie Finanzdirektor Alexander Wrabetz im März betont hatte. Keinesfalls will der Öffentlich-Rechtliche aber die Mehrheit an der möglichen neuen Tochter abgeben. (APA)