Wien - Weitgehend ablehnend kommentierte Justizminister Dieter Böhmdorfer am Donnerstag im Parlament Vorschläge der "Kriminalpolitischen Initiative" (KI) zur Entlastung überfüllter Justizanstalten. Vorstellen kann er sich er sich aber einen elektronisch überwachten Hausarrest für Strafgefangene, sagte Böhmdorfer in der Fragestunde. Verteidigt wurde von ihm einmal mehr die Errichtung eines zweiten Straflandesgerichtes in Wien.

Die KI - ein siebenköpfiges Gremium aus anerkannten Fachleuten aus den Bereichen Strafrecht, Kriminologie und Rechtssoziologie - hatte vor einigen Wochen ihre Vorstellungen für den Umgang mit überfüllten Gefängnissen vorgestellt. Gefordert wurde etwa die Ausweitung bedingter Entlassungen, die Zurückdrängung der Gewerbsmäßigkeit als Deliktsgrund oder strengere Voraussetzungen für die U-Haftverhängung.

"Nicht wirklich entlasten"

In Summe könnten die Vorschläge der KI bei Beibehaltung des Strafsystems die momentane Situation "nicht wirklich entlasten", meinte Böhmdorfer. "Überhaupt nichts" halte er von der Entkriminalisierung gewerbsmäßiger Delikte. Man könne auch nicht die roten Ampeln abschaffen, wenn diese vermehrt überfahren würden.

Die Vorschläge der KI würden sich auch weitgehend auf Strafgefangene, die bereits verurteilt sind, beschränken. Dort habe man aber nicht die große Belastung in den Justizanstalten. Diese gebe es vor allem bei den Untersuchungs-Häftlingen. Die Antwort der Regierung darauf sei der Bau eines zweiten Landesgerichts in Wien. Der Ausbau der Justizanstalt Wien-Josefstadt sei aus rechtlichen Gründen nur um 100 Plätze möglich, gebraucht würden aber 700 bis 800, begründete Böhmdorfer. Die Kritik an dem Bau ist für Böhmdorfer daher "absurd".

Fußfesseln: "Denken darüber nach"

Anfreunden kann er sich lediglich mit der Idee eines elektronisch überwachten Hausarrestes. Der Einsatz derartiger Fußfesseln sei aber nur bei Strafgefangenen möglich - "und dort denken wir auch darüber nach", so Böhmdorfer. Die Ausweitung bedingter Entlassungen sei zwar im Regierungsprogramm vorgesehen, sei aber in der Praxis schwierig, weil die Richter oft anders entscheiden würden, meinte der Justizminister.

Personalreduktionen seien im Justizbereich nicht geplant, betonte Böhmdorfer. Die von den Grünen genannte Unterbesetzung von 87 Stellen könne er aber nicht bestätigen. Nach den derzeitigen Regelungen müsse eine Überbelastung von zehn Prozent akzeptiert werden. Statistisch würden daher nur 8,62 Richter fehlen, so Böhmdorfer. Er kündigte jedenfalls an, sich im Rahmen der nächsten Budgetverhandlungen für mehr Personal einsetzen zu wollen.

Vorerst weiter vertröstet wurde die Opposition mit dem vor längerer Zeit angekündigten Gesetzesvorschlag mit dem Strafrechtstatbestand "Sozialbetrug". Ein Entwurf werde spätestens "im Herbst" vorliegen, sagte Böhmdorfer. (APA)