Paris - Die WM 2002 war für die Franzosen schlicht eine Demütigung. Nicht einmal trafen sie ins gegnerische Tor. Schon nach der Vorrunde wurde der Titelverteidiger wieder heimgeschickt. Das ändert aber überhaupt nichts daran, dass der amtierende Euromeister in Portugal zum engen Favoritenkreis zählt.

Die Bilanz beeindruckt. Einem 0:2 gegen Tschechien im Februar 2003 folgten 18 Partien ohne Niederlage. Die EM-Qualifikation wurde ohne Fehl und Tadel einer Erledigung zugeführt, gegen Slowenien, Israel, Zypern und Malta gab es nichts als Siege. Klei- ner Quervergleich: Gegen Deutschland gewannen die Franzosen auswärts 3:0 - und die Deutschen Vizeweltmeister sind quasi das ranghöchste Team in Portugal, da ja Brasilien nicht spielberechtigt ist.

Jacques Santini (52) von Olympique Lyon (Meister 2002) löste nach dem WM-Debakel Roger Lemerre als Trainer ab. Er stellte das 4-3-1-2-System seines Vorgängers auf ein klassisches 4-4-2 um, das wirkte. Santini schaffte vor allem den Spagat, die Arrivierten im Team einerseits moralisch wieder aufzurichten, andererseits strich er ihnen die vormals gepflogene Garantie auf einen Stammplatz. Santinis Zukunft hängt nicht unmittelbar mit dem Abschneiden der Seinen zusammen - sein Abschied ist schon beschlossen, nach der EM fängt er bei den Tottenham Hotspurs an.

Die Kraft der Franzosen liegt in der Offensive. Ganz vorne werken die Herren Thierry Henry (FC Arsenal) und David Trezeguet (Juventus Turin), versorgt werden sie von Weltstar-Kollegen wie Patrick Vieira (FC Arsenal), Claude Makelele (FC Chelsea), Robert Pires (Arsenal) oder Sylvain Wiltord (Arsenal).

Und dann wäre noch die zentrale Figur im französischen Arrangement, Zinedine Zidane (Real Madrid), Europas Fußballer des Jahres 1998, Weltfußballer der Jahre 1998, 2000 und 2003. Der Sohn algerischer Einwohner gab sein Länderspieldebüt am 17. August 1994 in Bordeaux gegen die Tschechische Republik. Als er in der 62. Minute eingewechselt wurde, stand es 0:2. Das Spiel endete 2:2, und beide Treffer erzielte der Debütant Zidane. Am Sonntag besorgte er seiner Mannschaft in Paris das 1:0 im Testspiel gegen die Ukraine. Nach 88 Minuten und einem Pass von Henry. Zizou, wie sie ihn nennen, geizt nicht mit künstlerischen Aussagen. Seine Ballbehandlung, die Fähigkeit, das Spiel zu lesen, Entwicklungen zu antizipieren, Freistöße zu schießen ergötzt nicht nur die Fans der Equipe Tricolore.

Den Kapitän mimt der defensive Marcel Desailly (FC Chelsea), inzwischen 35 und also reich an Erfahrung. Es wird sein letzter großer Auftritt mit dem Team werden, und womit er seine Karriere krönen will, ist ganz leicht zu erraten.

Das Tor hütet immer noch Fabien Barthez. Da er bei Manchester United nur noch Torhüter Nummer drei war, wurde der Glatzkopf zu Olympique Marseille abgeschoben. Dort konnte er immerhin Praxis für die Nationalmannschaft sammeln. (sid, bez DER STANARD Printausgabe 8.6. 2004)

FRANKREICH:

Vorrunden-Gegner: England (13. Juni, 20:45, Lissabon), Kroatien (17. Juni, 20:45, Leiria), Schweiz (21. Juni, 20:45, Coimbra)

Teamchef: Jacques Santini

Stars: Zinedine Zidane, Thierry Henry, Robert Pires, David Trezeguet, Patrick Vieira, Lilian Thuram

Größte Erfolge: Weltmeister 1998 Europameister 1984,2000 WM-Dritter 1958,1986, WM-Vierter 1982 6. EM-Teilnahme, 11 WM-Teilnahmen

Qualifikation: Sieger der Gruppe 1