Istanbul/Wien – Wien ist im Begriff, die neue Hochburg türkischer Islamisten in Europa zu werden. Behauptet zumindest die türkische Tageszeitung Hürriyet. Bei den österreichischen Behörden beruhigt man dagegen.

Im Fokus von Hürriyet ist besonders der islamische Hilfsverein "Wonder", der rund 400 Studentinnen und Studenten aus der Türkei betreut und in der Döblinger Hauptstraße ein Wohnheim hat. Die jungen Türken sind Absolventen der "Imam Hatip Lisesi", Berufsfachschulen, in denen Imane ausgebildet werden. In der Türkei können sie praktisch nur Theologie studieren, in Österreich stehen ihnen dagegen auch andere Fächer offen.

Zusätzlich können die Studentinnen hier, im Gegensatz zur Türkei, ihr Kopftuch auch während der Vorlesung tragen. Die Tatsache, dass die Töchter zweier der Islamistienpartei von Necmettin Erbakan nahe stehender prominenter Publizisten von Wonder betreut werden, nährt für Hürriyet den Verdacht, dass es sich bei der Vereinigung um eine islamistische Tarnorganisation handelt.

Eine Einschätzung, die man im Innenministerium nicht teilt. "Wir kennen den Verein seit 2001, bisher haben wir keine Probleme damit gehabt", betont Ministeriumssprecher Rudolf Gollia. Es sei zwar im "gesamteuropäischen Kontext bemerkbar, dass sich der politische Islam ausdehnt, davon ist aber Österreich nicht alleine betroffen". Anzeichen, dass Österreich Rückzugsraum oder Basis für Radikale sein könnte, gebe es derzeit nicht, versichert Gollia.

Auch im Bildungsministerium, in dem es laut der Zeitung einen internen Bericht geben soll, ob Wien zu einem Zentrum der Islamisten wird, ist man ahnungslos. Eine derartige Untersuchung sei ihm derzeit nicht bekannt, betont ein Sprecher des Hauses auf Anfrage. (jg, moe/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2004)