Caen - In der Normandie-Metropole Caen versammeln sich an diesem Maiabend ein Dutzend Kriegsveteranen zu einem historischen Treffen: Alliierte, französische Résistance-Kämpfer - und erstmals Deutsche kommen im "Memorial des Friedens" zusammen. Bill Coleman, 80 Jahre alt, am 6. Juni 1944 schwer verletzt, erzählt, wie er in den paar Stunden des Angriffs mehr durchgemacht habe als im ganzen Krieg.

Von der anstehenden Versöhnungsfeier mit den "Germans" denkt er heute nur Gutes: "Das einzig Richtige", wiederholt er zweimal. "Es geht darum, dass wir wieder zusammenarbeiten." Auch im Irak? "Es gibt Höhen und Tiefen unter Verbündeten. Das Leben ist nicht perfekt. Wir werden bald wieder am gleichen Strick ziehen." "Hoffentlich auch innerhalb von Europa", ergänzt Michel Kuc, der mit der polnischen Division in der Normandie gelandet ist.

Der 85-jährige französische Widerstandskämpfer Rémy Dreyfus begrüßt die Aussöhnung mit Deutschland. Aber er könne sich nicht helfen: Während er mit jungen Deutschen keinerlei Probleme habe, könne er als Jude mit den deutschen Kriegsteilnehmern nicht unbelastet sprechen: "Darüber komme ich einfach nicht hinweg."

Schließlich schüttelt er den deutschen Veteranen beim Umtrunk aber doch die Hand, so etwa dem Wachtmeister Hans Flindt. "Wir wussten seit Stalingrad, dass wir für nichts kämpften", meint dieser. Etwas aufgeregt durch das Treffen, fragt sich der 78-Jährige, wie die Ankunft Schröders in der Region aufgenommen werde: "Na ja, wir werden ja sehen." Selbstbewusster Anton Herr, ehemals Leutnant der 21. deutschen Panzerdivision: "Am 6. Juni war ich für einen deutschen Gegenangriff. Wir glaubten noch an Hitlers Wunderwaffe. Aber bald fragten wir uns: Wo bleibt es denn, das Wunder?" Es ist ausgeblieben.

Zerfallende Dichotomie

Zu diesem feierlichen Anlass ergreifen die Vertreter der Nationalitäten nacheinander das Wort, die Deutschen zum Schluss. Als die Reihe an ihnen ist, liegt eine starke Spannung über dem Saal. Erstmals schildern auch Wehrmacht-Panzeroffiziere ihre Verteidigung. Während Anton Herr spricht, wird klar, warum das an diesem historischen Ort so etwas Besonderes ist: Die Heldentaten der US-Rangers oder der Résistance sind nur denkbar, weil es ein Feindbild gab, einen Bösewicht.

Mit der Einladung an die Deutschen zerfällt die Dichotomie von Siegern und Besiegten; es wird klar, dass es auf dem Schlachtfeld keine Helden geben kann, nur Verlierer. "Ich möchte die Trauer über das ganze Leid des Krieges ausdrücken", meint Wehrmachtoffizier Anton Herr. Der Beifall der über tausend Gäste ist nicht stärker, aber auch nicht schwächer als bei den übrigen Veteranen. (brae, DER STANDARD, Print, 28.5.2004)