Rom - Italien trauert um den Fiat-Präsidenten Umberto Agnelli, der nur 16 Monate lang das Ruder der größten italienischen Privatgruppe gehalten hat. Sein ganzes Leben lang hatte der "Dottore silenzioso" (der schweigsame Doktor), wie ihn die italienische Presse getauft hatte, stets im Schatten seines charismatischen Bruder Giovanni gelebt, dem Firmenpatriarchen, der über 30 Jahre lang das Fiat-Imperium regiert hatte.

Tragödien

Tragödien haben seit der Kindheit das Leben des 1934 in Lausanne geborenen Umberto Agnelli überschattet. Ein Jahr nach seiner Geburt kam sein Vater Edoardo bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Der junge Umberto wuchs in Rom mit der Mutter, der Adeligen Virginia Bourbon Del Monte, in enger Beziehung mit seinen sechs Geschwistern auf. Vor allem die Beziehung zu seinem um 13 Jahre älteren Bruder Giovanni war besonders intensiv. Nach dem Jus-Studium begann Umberto, berufliche Erfahrung in der Versicherungsgruppe Sai und im Ausland bei der französischen Fiat-Tochter Fiat-France zu sammeln.

1968 übernahm Umberto Agnelli die Leitung der Auslandsgeschäfte der Fiat-Gruppe. 1970 rückte er zum Geschäftsführer der Fiat Spa auf. Den Posten hielt er bis 1980 inne. Zwischen 1976 und 1979 engagierte er sich politisch als Senator in Rom. In den Achtziger Jahren rückte er zum Vizepräsidenten der Gruppe auf. Zwischen 1980 und 1990 besetzte er auch den Posten des Präsidenten der Fiat-Auto. 1993 trat er zurück, um die Führung der beiden Finanzholding der Familie Agnelli zu übernehmen, der Ifi, die er bis zu seinem Tod führte, und der Ifil, deren Leitung er im Februar 2003 abgegeben hatte.

"Wir ergänzen uns"

Bis vor dem Tod seines Bruders im Jänner 2003 war Umberto Agnelli als Manager weitgehend unbekannt. Während sein extrovertierter Bruder Giovanni stets die Öffentlichkeit suchte, hielt ihm der ruhige Umberto in der Firma den Rücken frei. "Er ist diszipliniert, kommt zur Sache und hat größere konstruktive Fähigkeiten als ich", sagte Giovanni einst über ihn. "Wir ergänzen uns ideal bei der Risikoeinschätzung und der Beurteilung von Personen".

Nach dem Tod seines Bruders übernahm Umberto Agnelli den Posten des Präsidenten und somit auch die Last, Fiat aus der gravierendsten Krise seiner über 100-jährigen Geschichte zu retten, in die die Autogruppe 2002 unter dem Druck der schweren Verschuldung der Pkw-Branche geschlittert war. Unter seiner Führung wurde das Fiat-Management wesentlich verjüngt. Umberto Agnelli wählte den Manager Giuseppe Morchio zum Geschäftsführer der Gruppe. Zum CEO der Autosparte ernannte Agnelli den Wiener Top Manager, Herbert Demel, der mit neuen, innovativen Modellen intensiv an der Fiat-Sanierung arbeitet. Der Konzern sollte bis Jahresende die operative Gewinnschwelle erreichen und im kommenden Jahr wieder Gewinne schreiben.

Großer Sportfan

Agnelli heiratete in den Sechziger Jahren die Unternehmertochter Antonella Bechi Piaggio, von der er einen Sohn, Giovanni Alberto, hatte. Der Sohn, der für die Nachfolge des Firmenpatriarchen Giovanni Agnelli, bestimmt war, starb 1997 an Krebs. In zweiter Ehe hatte Agnelli die Adelige Allegra Caracciolo di Castagneto geheiratet, von der er zwei Kinder hatte.

Wie alle Mitglieder der Familie Agnelli war auch Umberto ein großer Sportfan. Er war Präsident des italienischen Fußball-Rekordmeisters Juventus Turin. Er führte auch mehrere Jahre lang als Präsident den einflussreichen italienischen Fußballverband FIGC. Die Nachricht über Umberto Agnellis Erkrankung hatte sich erst Anfang Mai verbreitet und Sorge in Italien ausgelöst. In Fiat-Kreisen hatte man versichert, dass der Tumor, an dem Agnelli litt, behandelbar sei.(APA)