Moskau - Der Prozess gegen den russischen Ölunternehmer Michail Chodorkowski ist kurz nach dem Auftakt am Freitag auf den 8. Juni verschoben worden. Das Gericht sei damit dem Antrag des Steuerministeriums gefolgt, sagte ein Verteidiger Chodorkowskis, Anton Drel, am Freitag. Das Ministerium gab demnach an, mehr Zeit für die Prüfung der 350 Seiten umfassenden Gerichtsakte zu benötigen. Das Verfahren war am Morgen mit einer Anhörung des früheren Chefs des Yukos-Konzerns eröffnet worden. Chodorkowski werden Betrug, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung vorgeworfen.

Bei einer Verurteilung durch das Moskauer Gericht drohen Chodorkowski zehn Jahre Haft. Außerdem könnte die Ölfirma Yukos wieder in Staatshände geraten. Bereits am Mittwoch entschied ein Gericht zu Gunsten der Regierung. Danach ist Yukos zu Nachzahlungen und einer Strafe von rund 99,4 Mrd. Rubel (2,80 Mill. Euro) verpflichtet. Die Firma teilte mit, dass sie wegen des Betrages noch in diesem Jahr Pleite gehen könnte. Die Regierung könnte dann das Firmenvermögen beschlagnahmen.

Verkaufswelle bei Yukos-Aktien

Diese Äußerungen führten zu einer Verkaufswelle bei Yukos-Aktien. Am Freitag fielen die Titel weiter um elf Prozent auf den niedrigsten Stand seit März 2002. Seit dem Beginn der Ermittlungen im vergangenen Jahr haben die Papiere fast die Hälfte ihres Wertes verloren.

Angesichts des Drucks der russischen Justiz auf den Ölkonzern Yukos erwägen die Hauptaktionäre Medienberichten zufolge eine Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Semjon Kukes. Der seit Oktober 2003 als Nachfolger von Michail Chodorkowski amtierende Kukes habe die Lage nicht geklärt, sondern "sogar verkompliziert", zitierte die Moskauer Wirtschaftszeitung "Wedomosti" am Freitag Aktionärs-Kreise. Kukes, ein Russe mit US-Pass, müsse wahrscheinlich Ende Juni gehen. Der Konzernleitung sei nichts von diesen Plänen bekannt, sagte dagegen Yukos-Sprecher Alexander Schadrin dem Blatt. Als möglichen Nachfolger nannten Analysten Steven Michael Theede, den jetzigen Chef der Yukos-Zentrale in Moskau.

Politisch motiviert

Das Vorgehen gegen den Oligarchen wird von vielen Russen als Reaktion der Führung um Präsident Wladimir Putin auf die politischen Ambitionen Chodorkowskis gesehen. Er hatte die Politik Putins kritisiert und den Eindruck erweckt, eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2008 zu erwägen. "Das ist ganz klar ein politischer Ablauf. Ich kenne nicht eine Ölfirma in Russland, die nicht die Steuerschlupflöcher genutzt hat, für die Yukos jetzt bestraft wird", sagte der Wirtschaftsexperte Jewgeni Jassin, der in den 90er Jahren Wirtschaftsminister war. Der russische Präsident Wladimir Putin stellt das Vorgehen gegen Chodorkowski als Teil seiner Antikorruptionskampagne dar. (APA/AFP/Reuters/AP)