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Der neue Fiat-Boss: Luca Cordero di Montezemolo

Foto: REUTERS/Tony Gentile
Turin - Ein neuerliches Erdbeben hat am Wochenende den angeschlagenen Turiner Industriekonzern Fiat erschüttert. Nach dem überraschenden Tod des Konzernpräsidenten Umberto Agnelli am vergangenen Donnerstag ist nun auch Geschäftsführer Giuseppe Morchio - mit einem verbitterten Abschiedsstatement - zurückgetreten. Grund: Ferrari-Chef Luca di Montezemolo (57) wird neuer Konzernboss.

Der als äußerst ehrgeizig bekannte Morchio hatte ab Februar 2003 den tiefstgreifenden Restrukturierungsprozess in der 105-jährigen Fiat-Geschichte in die Wege geleitet. Er peilte nun den vakant gewordenen Posten des Konzernpräsidenten an. Doch die Agnellis - sie kontrollieren 30 Prozent von Fiat - lehnten dies einstimmig ab. Mit Montezemolo kommt stattdessen ein Vertrauter der Familie.

Einstimmiges "No"

Die Machtakkumulation wurde jedoch nicht nur von den Großaktionären, sondern auch von den Gläubigerbanken abgelehnt. "Dies entspricht nicht den Corporate-Governance-Regeln", so ein Banksprecher in Rom. "Umberto Agnelli war gegen jeden Personenkult und zu viel Machtkonzentration in einer Hand", meinte ein Fiat-Sprecher. Allerdings weiß man auch, dass die Agnellis gegenüber "externen" Managern stets misstrauisch waren.

Neuer Fiat-Geschäftsführer könnte der Exchef der italienischen Erdölgesellschaft, Franco Bernabe, werden. Als neuer Ferrari-Chef wird Technikchef und Strategiegenie Ross Brawn gehandelt.

John Elkann wird Vizepräsident

John Elkann, 28-jähriger Enkel von Giovanni Agnelli, wurde indessen zum Vizepräsidenten ernannt. Andrea Agnelli, 26-jähriger Sohn des verstorbenen Umberto, zieht in den Verwaltungsrat ein. Dies sind klare Signale: Die Agnellis wollen weiter die Fäden ziehen bei Italiens größtem Industriekonzern - trotz des Familiendramas, des kurz aufeinander erfolgten Ablebens des "Kronprinzen" Giovanni Alberto, des "avvocato" Giovanni, und seines Bruders Umberto. Zweifellos steht Fiat heute besser da als noch vor einem Jahr. Der Sanierungsplan, die Besinnung auf das Kerngeschäft, die Veräußerung des Agnelli-Familiensilbers und Investitionen in die Modellerneuerung, zeigt erste Früchte. Der Gemischtwarenladen wurde ausgeräumt: Der Verkauf der Versicherungsgesellschaft Toro, der Flugzeugsparte Fiat Avio und der Immobilientreuhandgruppe Fidis schwemmte rund sieben Milliarden Euro in die leere Kasse. Gleichzeitig startete Fiat Auto eine Modelloffensive.

Der Kraftakt hatte Erfolg: Im Jahr 2003 wurde der Verlust halbiert. Heuer erwartet der Fiat-Konzern ein ausgeglichenes Ergebnis, 2005 soll die Fiat SpA und 2006 Fiat Auto wieder mit Gewinn abschließen.

Trotzdem: Die Gewerkschaften reagierten mit Besorgnis auf den Wechsel und forderten ein Treffen mit dem neuen Boss, um den Sanierungsplan bestätigt zu bekommen. Die Fiat-Aktie reagierte mit Kursverlusten. (tkb, red, Der Standard, Printausgabe, 01.06.2004)