Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA/Brown
Die rasch steigenden Ölpreise sind einer jener Faktoren, die gegenwärtig die Aktienmärkte belasten. Die Furcht vor Angebotsunterbrüchen im Mittleren Osten, untermauert durch den jünsten schwerwiegenden Anschlag in Saudi-Arabien, trieb zuletzt den Erdölpreis in New York deutlich über die 40 US-$ pro Fass-Marke. Wenig überraschen kletterte in den USA die Inflationsrate im April auf 2,3 Prozent (März: 1,7), und die Erzeugerpreise fielen etwas höher als erwartet aus, vorwiegend als Folge gestiegener Energiekosten. Parallel dazu sind die US-Anleihenzinsen auf 4,85 Prozent gestiegen, ein Niveau, das zuletzt 2002 verzeichnet worden war.

Neuerdings öliges Börsenparkett

Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem fast alle Industrieländer die Stagnation überwunden haben und auf den Wachstumspfad zurückkehren, stellt sich ihnen eine neue Hürde in den Weg. Und es handelt sich dabei ausgerechnet um den Ölpreis - eine Gefahr, die kaum jemand vorausgesehen hat. Im Gegenteil: Nach dem scheinbar raschen Ende des Irakkriegs vor einem Jahr und wegen der äusserst tiefen Inflationsraten galt damals ein Ölpreisschock als vernachlässigbares Risiko. Gewarnt wurde vor dem wachsendem US-Schuldenberg, der Steuererhöhungen notwendig machen würde, vor dem enormen Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten, das den Dollar in eine Abwertungsspirale führe. Und gewarnt wurde vor dem Reformstau in Europa, der dort das Wachstum hemmen würde.

Wirtschaft scheint in Fahrt zu kommen

Inzwischen zweifeln die führenden Wirtschaftsforscher in ihren traditionellen Frühjahrsprognosen nicht mehr daran, dass die Weltwirtschaft dieses und nächstes Jahr zufrieden stellend wachsen wird. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stimmen weitgehend überein: Die USA werden dieses Jahr noch einmal an Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahr zulegen und ebenfalls 2005 kräftig expandieren, jedoch etwas weniger als 2004; Die Eurozone wird dieses Jahr, gemessen an ihrem Potenzial, unterdurchschnittlich wachsen, jedoch kommendes Jahr endlich wieder ein gesundes Wirtschaftswachstum an den Tag legen. Alle sagen allerdings voraus, dass sie nicht das konjunkturelle Tempo erreichen wird, das die Vereinigten Staaten vorgeben; Nur im Falle Japans weichen die Meinungen der Ökonomen voneinander ab. Dieses Jahr wird die Volkswirtschaft ihre Wertschöpfung zwar steigern können - von einem tiefen Niveau aus -, aber für das nächste Jahr prognostiziert die OECD eine empfindlichere Abschwächung als der IWF, wenn sich Chinas Konjunkturüberhitzung abkühlt.

Im Würgegriff steigender (Rohstoff)Preise und Zinsen

Während also das Bruttoinlandprodukt (BIP) inzwischen fast überall real zulegt, hat die Unternehmensprofitabilität die Wende noch nicht geschafft, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten. Der kräftige Anstieg der Preise von Öl, Gas und anderen Rohstoffen erwischt somit die weltweite Konjunkturerholung an ihrer schwächsten Stelle. Er verteuert die Produktion und belastet die Profitabilität. Er droht auch, die Produktivitätsgewinne zu schmälern, die sich bislang als so wichtig für die Besserung der Unternehmensfinanzen erwiesen hatten. Genau wie höhere Zinsen schlägt eine Verteuerung der Energie ohne Verzug massiv hemmend generell auf das Wirtschaftswachstum durch. Wiederholt haben rasant anziehende Ölpreise die Weltwirtschaft in eine scharfe Rezession getrieben. Besonders heikel wird die Situation, wenn beide Bremsfaktoren synchron wirken.

Schulterklopfer USA

Mit Sicherheit wird die US-Notenbank, wenn sie demnächst über ihre Geldpolitik und das Ausmass der Zinserhöhung berät, auch diesen Punkt in ihre Erwägungen einbeziehen. Und wer die Amerikaner respektive seine Politik(er) kennt, wird wohl kaum an jenem immensen Druck zweifeln, den Washington auf seinen Partner Saudi Arabien in Sachen "Höhere Förderquoten" ausüben wird! Dementsprechend kann kurzfristig eher wieder mit leicht fallenden Ölpreisen gerechnet werden - aber mittel- bis längerfristig spricht viel, wenn nicht sogar alles für höhere Öl-Notierungen. Demenstprechend muss und wird das Augenmerk der Anleger weiterhin den Zinsen - und dem Ölpreis gelten.