Gerald heißt für seine Freunde Gary. Seitdem er aber über einen Breitbandanschluss verfügt, hat er einen weiteren Spitznamen: "Nilfisk", das Synonym für Saugstärke. Denn seine Freizeit verbringt Gary am liebsten mit dem im Szenejargon "Heruntersaugen" genannten Downloaden von Filmen und Musik aus dem Internet. Durchschnittlich etwa 20 Dateien holt er sich im Monat aus dem Netz.

Hass

Der 40-jährige Oberösterreicher Gary gehört zu den von der Musikindustrie verhassten Powerusern, die sich über Onlineplattformen kostenlos mit Musik und Filmen eindecken. Neuerscheinungen stehen dabei ebenso auf dem Menüplan wie Sammlerstücke, die man im Musikladen teilweise gar nicht mehr bekommt. Und Gary ist damit nicht allein, wie Untersuchungen zeigen: Schon 2001 wurden laut einer Fessl-Gfk-Umfrage 34 Prozent aller selbst gebrannten CDs mit Musik aus dem Internet bespielt.

E-Mule, Kazaa, E-Donkey, Gnutella oder Shareaza

Die Daten holen sich die "Sauger" über virtuelle Tauschbörsen, so genannte "Peer-to-Peer Filesharing Programme". Was kompliziert klingt, funktioniert im Prinzip ganz einfach: Die Musik- und Filmliebhaber surfen Plattformen mit so klingenden Namen wie E-Mule, Kazaa, E-Donkey, Gnutella oder Shareaza an und installieren dann auf ihrem Computer eine Software, mit der sie sich nicht nur interessante Dateien herunterladen, sondern auch ihre auf der Festplatte befindlichen Musik- oder Filmfiles zum Abholen freigeben.

Nehmen, dann geben

Zuerst nehmen, dann geben, lautet also das Prinzip der Börsen. Und genau darin liegt auch die Gefahr, Angriffen von Würmern oder Hackern ausgeliefert zu sein, warnt Virenexperte Josef Pichlmayr von Ikarus Software. Schon beim Installieren tappen viele User in die Falle: Sie wüssten nicht, dass sie nur einen abgetrennten Folder für den Zugriff von außen öffnen sollten und entblößen gleich ihre ganze Festplatte. Außerdem seien sich die meisten nicht bewusst, dass Antivirenprogramme zwar hilfreich, aber bei weitem kein Schutz sind:

Festplatte des Ahnungslosen auszuspionieren

"Als Virenbastler kann ich ganz einfach einen Wurm konstruieren, den die gängige Software noch nicht erkennt. Ihn hänge ich an ein Musikfile oder gebe ihm Vertrauen erweckende Endungen wie .mpeg. Dann brauche ich nur mehr darauf zu warten, bis der User das vermeintliche Musikstück zum Abspielen aufruft, und schon beginnt mein Wurm, die Festplatte des Ahnungslosen auszuspionieren", schildert Pichlmayr.

I fought the Law

Gefahr droht den Musik- und Filmliebhabern aber nicht nur durch Viren oder Spionage, sondern immer mehr auch vonseiten der Gesetzeshüter. Das Downloaden zum privaten Gebrauch ist aus rechtlicher Sicht nämlich nur dann unproblematisch, wenn die Dateien auch rechtmäßig ins Internet gestellt wurden, erklärt Rechtsanwältin Maria Windhager. Für den Großteil der im Internet abrufbaren Musik- und Film-Dateien gilt das aber nicht. Ob das Downloaden von rechtswidrig ins Netz gestellten Dateien auch dann strafbar ist, wenn sich die User dessen nicht bewusst sind, ist in Österreich strittig, so Windhager. Die rechtliche Basis dafür, Poweruser ausfindig zu machen, gebe es jedenfalls: Sowohl das E-Commerce- als auch das Datenschutzgesetz erlauben es Internetprovidern, IP-Adressen verdächtiger Kunden auf Anfrage bekannt zu geben.

Keine Diskussion

Ein Wechsel zu kostenpflichtigen – und legalen – Musikbörsen, wie sie in Österreich etwa die Telekom Austria und der Breitbanddienst Chello oder international Apple und Coca-Cola anbieten, stehen für Poweruser trotzdem nicht zur Diskussion. Ina, die sich fast täglich ein Lied aus dem Netz fischt, meint, dass ohnehin immer mehr Musiker ihre Songs gratis zum Download anbieten und auf das Internet als Werbeplattform setzen. Kurt wiederum glaubt, über die kostenpflichtigen Plattformen nur für ihn uninteressante Mainstream-Musik beziehen zu können. Und Gary verweist auf seine 700 Stück starke LP- und CD-Sammlung, mit der er seiner Meinung nach der Musikindustrie schon genügend Umsätze beschert habe.

Ratlos

Die Musik- und Filmwirtschaft steht nach wie vor eher ratlos vor den boomenden Tauschbörsen. Die Strafandrohung wirkt offensichtlich nur kurzfristig, wie eine jüngst veröffentlichte Untersuchung in den USA zeigt. Obwohl dort sogar Teenager schon zu Geldstrafen wegen illegalen Downloadens verurteilt wurden, sank die Beliebtheit der einschlägigen Websites nur kurz ab. Im Februar 2004 tummelten sich schon wieder 23 Millionen Downloader auf den Plattformen, um 18 Prozent mehr als noch im Dezember des vergangenen Jahres. (Elke Ziegler, DER STANDARD PRintausgabe)