Istanbul - Nach dem Abbruch des Istanbuler Terror-Prozesses will die Türkei im Eilverfahren neue Gerichte gründen, um die mutmaßlichen Bombenleger verurteilen zu können. Die Regierung werde den entsprechenden Gesetzentwurf noch im Laufe des Tages dem Parlament zuleiten, wurde Justizminister Cemil Cicek am Dienstag von türkischen Medien zitiert.

Neue Gerichte für organisierte und schwere Kriminalität

Die Regierung hofft auf eine Verabschiedung in der kommenden Woche. Das Gesetz sieht neue Gerichte für organisierte und schwere Kriminalität vor, die als Ersatz der abgeschafften Staatssicherheitsgerichte fungieren sollen. Der Prozess gegen 69 mutmaßliche Hintermänner der Istanbuler Terroranschläge vom vergangenen November war am Montag geplatzt. Das Verfahren soll fortgesetzt werden, sobald die neuen Gerichte geschaffen sind.

Keine Nachfolge-Institutionen für Staatssicherheitsgerichte

Das Parlament hatte die Staatssicherheitsgerichte im Rahmen der EU-Reformen Mitte Mai aus der Verfassung gestrichen, aber keine Nachfolge-Institutionen eingesetzt. Dies soll erst mit dem neuen Gesetzentwurf geschehen. Das Istanbuler Staatssicherheitsgericht hatte sich deshalb im Fall der mutmaßlichen Terroristen für nicht zuständig erklärt und das Verfahren auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Feststellung der Personalien der 69 Angeklagten ging am Dienstag weiter; nach Abschluss dieser Vorarbeiten wird das Verfahren in den kommenden Tagen jedoch eingefroren.

Sonderzuständigkeit für politische Straftaten gestrichen

Die neuen Gerichte werden "Strafkammern für Organisierte Kriminalität" heißen. Anders als die Staatssicherheitsgerichte werden die neuen Gerichte keine Sonderzuständigkeit für politische Straftaten wie etwa Volksverhetzung haben. Damit will die EU-Kandidatin Türkei einer Forderung Brüssels nachkommen; die Gestaltung der neuen Gerichte orientiert sich an vergleichbaren Instanzen in der EU. Auch vor dem neuen Gericht müssen die Hauptangeklagten unter den Istanbuler Terror-Verdächtigen bei einer Verurteilung mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. (APA)