Bild nicht mehr verfügbar.

Das eine Tschetschenien jubelt, das andere trauert: Ramzan Kadyrow, Sohn von Ahmed Kadyrow, dem jüngst ermordeten Präsidenten der Kaukasus- republik, und Klubchef von Terek Grosny, präsentiert den russischen Cup. Hinter ihm ehrt das Team seinen toten Vater.

Foto: AP
"Fußball, das ist ein Vermächtnis Kadyrows, die Tschetschenen in einem anderen Licht zu zeigen", sagte Vait Talgajev, der Trainer des tschetschenischen Klubs Terek Grosny, als sich jüngst im Moskauer Kreml ein Gespräch über Fußball und Tschetschenien entspann.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Mannschaft gemeinsam mit der tschetschenischen Staatsführung geladen. "Ich gratuliere zum Sieg! Ein erfolgreiches Team, das ist ein Symbol für die Wiedergeburt der Republik. Die Tschetschenen sind ausgezeichnete Sportler und werden uns auch in der internationalen Arena in Staunen versetzen." Der Grund für die hehren Worte: Mit einem 1:0 hatte Terek vergangenen Freitag den russischen Erstligisten Krylja Sowjetow im Cupfinale besiegt und sich damit als erster tschetschenischer Verein für einen europäischen Wettbewerb, den UEFA-Cup, qualifiziert. Eine derartige Ansprache hätten sich auch die Schriftsteller gewünscht, als Russland letztes Jahr Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse war. Kein einziger tschetschenischer Autor war damals eingeladen worden.

Die Mannschaft Tereks widmete den Sieg dem moskau-treuen Expräsidenten Ahmed Kadyrow, der am 9. Mai einem Anschlag zum Opfer fiel. Seitdem führt sein Sohn Ramzan, der eine berüchtigte Privatarmee von 4000 Mann unterhält, die Amtsgeschäfte. Auch im Fußballklub.

"Alle denken, wir sind Terroristen." Der Trainer Talgajev weiß, wovon er spricht. Zehn Jahre Krieg, dem Abertausende Menschen zum Opfer gefallen sind, haben das tschetschenische Volk zum Paria in der russischen Föderation gemacht. Dass jetzt ausgerechnet ein tschetschenischer Verein Russland international vertritt, ist aber noch nicht genug der Anomalie. Terek Grosny spielt nicht einmal in der ersten, sondern in der zweiten Liga. Auf das Jahr 1948 geht die Gründung des Vereins zurück, vier Jahre, nachdem Stalin die Tschetschenen und andere kaukasische Völker in Viehwagons nach Zentralasien und Kasachstan verschleppt hatte. Nur einmal, 1974, hatte der Klub auf sich aufmerksam gemacht, als er in der zweiten sowjetischen Liga eine Topplatzierung errang.

Später verschwand er in der Versenkung, um vor kurzem wieder aufzuerstehen - mit neuen Anomalien: Neben dem Trainer sind nur wenige Kicker Tschetschenen, die Mehrheit stellen russische Legionäre. Wichtiger aber noch: Der Verein ist gar nicht in Tschetschenien beheimatet, wo ein Spielbetrieb wegen der anhaltenden Kämpfe zwischen russischer Armee und Rebellen unmöglich ist.

Angesiedelt hat sich Terek im nordkaukasischen Mineralnyje Vody, die Heimspiele trägt man im benachbarten Pjatigorsk aus. Was neue Probleme aufwirft: Das Stadion in Pjatigorsk genügt internationalen Standards nicht, sodass man entweder ein Ersatzstadion finden oder auf neutralen Boden ausweichen muss. "Wir werden das in keinem Fall zulassen", sagt quasi vorbeugend Vjatscheslav Koloskov, der Präsident des Russischen Fußballbundes, und verweist auf das Jahr 2001, als der Klub Anzhi aus der ebenfalls instabilen tschetschenischen Nachbarrepublik Dagestan sein Heimspiel gegen die schottischen Glasgow Rangers in Polen austragen musste.

Die künftigen UEFA-Cup-Gegner von Terek Grosny werden wohl in der nordossetischen Hauptstadt Vladikavkas empfangen werden. (Eduard Steiner aus Moskau; DER STANDARD PRINTAUSGABE 2.6. 2004)