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Chalabi: Freund des Pentagon und Irans.

Foto: EPA/NABIL MOUNZER
Angefangen hat alles mit einem Newsweek-Artikel Mitte Mai, in dem Ahmed Chalabi beschuldigt wurde, den Iran mit "sensiblen Informationen" über die Amerikaner im Irak versorgt zu haben. Chalabi, Mitglied des (am Dienstag aufgelösten) Interimistischen Regierungsrates und jahrelang der Lieblingsiraker des Pentagon, wies den Bericht zurück, bestimmte Ereignisse sprachen jedoch eine andere Sprache: Die USA stellten abrupt ihre monatlichen Zahlungen an Chalabis INC (Iraqi National Congress) ein, in Bagdad wurden sein Haus und sein Büro durchsucht.

Nun kam am Mittwoch die New York Times mit einer Geschichte heraus, die sie nach eigenen Angaben zuvor auf Wunsch der US-Regierung zurückgehalten hatte: Chalabi habe dem Bagdader Bürochef des iranischen Geheimdienstes verraten, dass Washington den Verschlüsselungscode des iranischen Geheimdienstes geknackt habe (Chalabi selbst habe dies von einem "betrunkenen" Amerikaner erfahren). Offensichtlich habe der Iraner Chalabi die Sache aber nicht geglaubt: Er berichtete schriftlich nach Teheran - wodurch wiederum die Amerikaner, die die Nachricht entschlüsselten, vom Verrat Chalabis erfuhren.

Die Demontage von "Cheney's Darling" (US-Vizepräsident Dick Cheney) Ahmed Chalabi ist atemberaubend - es wird ihm nun also nicht mehr "nur" vorgeworfen, dass er die USA bewusst mit falschen Informationen über Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen gefüttert und in den Krieg getrieben hat, sondern auch, dass er dies alles als Agent des Iran in iranischem Interesse getan hat.

George Friedman von Stratfor meint in einer Analyse, in der er die Bedeutung Chalabis eigentlich herunterspielen will ("Over- doing Chalabi"), zwar völlig richtig, dass der Kriegsverursachervorwurf an der Wahrheit vorbeigeht: Denn die USA haben den Irak ja ohnehin aus anderen Gründen erobert. Aber er meint auch, dass Chalabis Sünde darin bestehe, den USA Informationen, die er als iranischer Agent gehabt haben müsse, vorenthalten zu haben: die Infiltration des Südirak durch Irans Geheimdienst und die Guerillakriegspläne des Saddam-Regimes für die Nachkriegszeit. Wenn die USA diese Informationen gehabt hätten, dann wären sie vorbereitet gewesen.

Angenommen, da ist etwas daran: ein guter Rücktrittsgrund mehr für alle Chalabi-Freunde in der US-Administration. Aber gerade als Chalabi-Skeptiker der ersten Stunde ist an Friedmans These störend, mit welcher Sicherheit er nun Chalabi dem iranischen Lager zuschreibt. Selbst wenn Chalabi seine Rolle allein als Mullah-Freund gesehen hätte (was gewiss nicht stimmt): Im Iran traut ihm ganz bestimmt niemand über den Weg, und dort hätte ganz bestimmt niemand sensible Geheimdienstinformationen mit ihm geteilt. Im Iran - wie im Irak und in der gesamten arabischen/islamischen Welt - ist Chalabi der Mann Rumsfelds und Wolfowitzs.

In diesem Umfeld findet er auch noch immer seine Verteidiger: Der frühere Vorsitzende des Defense Policy Board, Richard Perle, bezeichnete laut NYT die negativen Berichte über Chalabi als Intrige der CIA. Allerdings haben sich jüdische Freunde laut John Dizard in salon.com ebenfalls von Chalabi abgewandt: weil er die vielen proisraelischen Versprechen, die er vor dem Krieg gemacht haben soll, nicht eingelöst hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2004)