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Das frühere und vor einigen Monaten geschlossene Luxusrestaurant "Altwienerhof" hat wieder offen. Und geht einen eigenwilligen Weg, sowohl "Altwiener" Küche als auch die Tradition des Hauses zu interpretieren

Rudi Kellners "Altwienerhof" ist Geschichte. Unwiederbringlich erstens deshalb, weil Rudi Kellners Gesundheitszustand es nicht mehr zulässt, ziggängige Menüs bis in den frühen Morgen hinein anzufertigen; zweitens, weil der legendäre Weinkeller verkauft wurde, und ohne diesen Weinkeller voll von französischer Klassik ist der "Altwienerhof" halt einfach nicht derselbe; und drittens nicht zuletzt deshalb, weil die Grande Cuisine des Auguste Escoffier, der Rudi Kellner hier huldigte, nicht nur nicht sehr zeitgemäß ist, sondern letztlich einfach auch nicht mehr übermäßig stark gefragt war.

Nach anfänglichen Überlegungen, das pittoreske Luxusrestaurant als Hotelrestaurant und Schauplatz einzelner Koch-Events weiterzuführen, entschied man sich diesen Frühling doch zum Verkauf. Was dann kam, war allerdings zu kurz, um wahrgenommen werden zu können, Anfang Mai jedenfalls übernahm Günter Kitzler, dem auch das Restaurant "Himmelpforte" in der Innenstadt gehört, die Restaurantikone. Am Interieur wurde nichts geändert, seiner dekadenten Altwienerhof-Grandezza beraubt, wirkt das Ensemble von Textiltapeten, Kirschholz, Lüstern, Wintergarten und dem einstmals bezauberndsten Garten der Stadt jedoch nur mehr morbide und obskur.

Produkten aus der österreichischen Küche, "moderner und leichter dargebracht", wolle man sich widmen, erklärt die junge Restaurantleiterin Valentina Leimer, das heißt, Schnitzel und Tafelspitz gibt es immer, irgendeine kreative Interpretation des Themas Blutwurst ebenfalls. Eine Philosophie, die jetzt zwar vielleicht nicht unbedingt die Neuerfindung des Rades darstellt, aber warum denn auch nicht. Die marinierten Dörrpflaumen, gefüllt mit Gänseleber, in Morchelsauce wären interessant gewesen, weil sie auf den ersten Blick so gar nicht "modern" und so gar nicht "leicht" wirken. Sie waren jedoch leider aus, übrigens genauso wie mindestens die Hälfte der Weine einer ohnehin äußerst winzigen Weinkarte.

Also Kalbsbries in Currysauce im Blätterteignest. "Leicht" war das jedenfalls auch nicht, "modern" vielleicht vor 30 Jahren, vor allem aber war es überhaupt nicht gut (€ 14,90); die grünen und weißen Spargel in einer fragwürdigen Orangen-Hollandaise machten einen jämmerlichen Eindruck, sahen aus, wie schon am Vortag gekocht (€ 11,30), die Blunze trat in Form eines in Won-Tons gefüllten Gröstls auf, was aller Voraussicht nach auch nicht zum Klassiker werden dürfte. Vor allem nicht mit diesem zarten, aber vernehmbaren Kühlschrank-Aroma und zu diesem Preis (€ 12). Der Altwiener Suppentopf war bei aller Herkömmlichkeit somit noch die beste Wahl (€ 4,60).

Saibling im Bierteig auf Paprikaschaum, die Farben waren bemerkenswert, der Geschmack nicht (€ 19,20), Tatare vom Gemüse im Nudelmantel mit Roter-Rüben-Creme, trocken und fade (€ 13,60), Fisch-Rahm-Ragout, wieder im Blätterteigtörtchen, ein skurriler Gruß aus den 70er-Jahren (€ 17,30), die marinierten Kalbsbackerln mit Mangold und Erdäpfelpüree waren versalzen, aber zumindest vom Konzept her akzeptabel (€ 17,40).

Was soll das? Will heute noch irgendwer so seltsame Dinge essen, die wie aus dem Repertoire eines bulgarischen Luxushotels von vor 20 Jahren erscheinen? Und dafür Preise wie im Palais Coburg bezahlen? Man kann dem Team des "Altwienerhofs" nur viel Glück wünschen, denn dass es für diese Küche, diese Qualität und diese Preise ein sehr großes Publikum gibt, ist zu bezweifeln. (Florian Holzer, DER STANDARD, rondo/04/06/2004)