Wien - Zwei Fälle, in denen Polizisten unter aufklärungsbedürftigen Umständen von ihren Schusswaffen Gebrauch gemacht haben, werden demnächst öffentlich verhandelt.

Zunächst muss sich am kommenden Freitag jener Polizist im Wiener Landesgericht verantworten, der am 31. August 2002 in der Wiener Innenstadt im Zug einer Amtshandlung einen 28-jährigen Mann erschossen hat. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen.

Erschossen bei Amokfahrt

Am kommenden Montag wiederum beginnt vor dem Wiener Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) ein Verfahren rund um den am 11. Jänner 2004 nach einer Amokfahrt erschossenen Lkw-Fahrer Nicolae J. Ein Sicherheitswachebeamter hatte auf den 35-jährigen Mann die Waffe gerichtet, nachdem dieser - womöglich in einem psychotischen Anfall - mit einem Küchenmesser auf Beamte einstechen wollte.

Notwehr

Die Polizei sprach von Notwehr bzw. gerechtfertigter Nothilfe, der Schütze sei seinen Kollegen zu Hilfe gekommen. Im UVS-Verfahren, das vorerst bis Ende Juni anberaumt ist, soll nun die Frage geklärt werden, ob diese Amtshandlung rechtswidrig war. Ob gegen den Schützen eine Anklage erhoben wird, steht noch nicht fest. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen.

Täter

Der 28-Jährige Binali I. litt nach Darstellung seiner Angehörigen unter zeitweisen schizophrenen Schüben und teilweisem Realitätsverlust. In einem derartigen Zustand dürfte er vor knapp zwei Jahren ein Kindermodengeschäft überfallen und einer älteren Passantin die Handtasche zu entreißen versucht haben. Zeugen beschrieben den Mann als "sehr verwirrt". Außerdem war er ohne Schuhe unterwegs.

Auf die Polizisten, die zum Einsatz in die Himmelpfortgasse bestellt wurden, machte der Mann dagegen den Eindruck, "dass er immer aggressiver wird", wie eine Beamtin später darlegte. Binali I. soll demnach "in Kampfstellung" gegangen sein und "die Hände wie ein Boxer" erhoben haben.

Mit Mineralwasserflaschen Beamte bedroht

Als Verstärkung eintraf, griff der 28-Jährige angeblich in die Taschen und holte zwei Mineralwasserflaschen hervor. Damit soll er die Beamten bedroht haben. Eine Flasche zertrümmerte er angeblich auf dem Funkstreifenwagen "Anton 1". Als sich einer der Uniformierten an seine Fersen heftete, drehte sich Binali I. um und soll mit der zweiten, hoch erhobenen Flasche unter Geschrei auf diesen los gestürmt sein.

Dieser feuerte darauf eine so genannte Doublette (zwei Schüsse hintereinander, Anm.) ab. Binali I. wurde aus geringer Entfernung im Schulter und Brustbereich getroffen und erlag wenig später seinen Verletzungen.

Haft möglich Die Gerichtsverhandlung gegen den Polizisten hätte eigentlich im Bezirksgericht Innere Stadt stattfinden sollen. Doch die damit befasste Richterin erklärte sich für unzuständig: Die ursprüngliche, nur auf fahrlässige Tötung lautende Anklage erschien ihr "nicht ausreichend". Sie hielt es für nicht ausgeschlossen, dass die Schüsse unter so genannten gefährlichen Verhältnissen abgegeben wurden, was einen höheren, die Zuständigkeit des Straflandesgerichts begründeten Strafrahmen zur Folge hätte. Womit der Akt im Grauen Haus landete. Im Fall eines Schuldspruchs drohen dem Beamten nun bis zu drei Jahre Haft.(APA)