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Zuerst eine Information, die Ihren Tag retten kann: Wir leben in einer Zeit zwischen den Zeiten. Denn auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Was wir bei uns und weiter weg erleben, deutet oft ein Interregnum an. Und bei diesen Andeutungen eines Interregnums handelt es sich um nicht weniger als um Risse, die aus der Tiefe kommen.

Genauer gesagt, um Hirnrisse, die aus der "Krone" kommen und von dem zwischen den Zeiten und Zeilen herumirrenden Cato ausgingen. Seine Angst vor einem Interregnum als Folge eines aus der Tiefe kommenden Risses zwischen ihm und der WAZ äußerte sich diesmal in überraschender Form: So wissen wir nicht mehr, ob wir die Wehrpflicht aufrechterhalten sollen, während wir Eurofighter anschaffen, die wir eigentlich nicht wollen. Dass ein solcher Abgrund an Ungewissheit das Zeitgefühl zwischen den Zeiten beeinträchtigt, ist verständlich, weniger verständlich allerdings, wieso ihn der hauseigene Heeresreformator nicht längst eingeebnet hat, wie es sich für einen braven Ombudsman gehört. Wer, wenn nicht er könnte Cato darüber aufklären, worin ein zwingender Zusammenhang zwischen der Aufrechterhaltung der Wehrpflicht und der Anschaffung ungeliebter Eurofighter bestehen sollte?

Cato ist indes nicht der einzige Stern am Wiener Journalistenhimmel mit einem feinen Sensorium für Risse aus der Tiefe. Auch a. u. muss ein tiefes Reißen verspürt haben, als er Dienstag in der "Presse" eine abgestandene Spekulation in den beinharten Aufmacher umschmiedete: Geht Schüssel zur EU, wird Molterer Bundeskanzler. Woraus sich zwingend die Sensation ergibt: Wenn nicht, dann nicht! Wie viel doch "Presse"-Leser den anderen voraus haben. Denn die wirkliche Diskussion wird erst nach der EU-Wahl vom 13. Juni einsetzen.

Doch der Chef kennt schon jetzt kein Halten mehr. In der ÖVP-Spitze nimmt man derzeit zufrieden zur Kenntnis, dass Bundeskanzler Wolfgang Schüssel aus der ersten Reihe der Spekulationen für eine Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi verschwunden ist. Wollen sie in der ÖVP-Spitze Molterer nicht? Ach wo, dessen Chancen sind so intakt wie die Schüssels: Das nimmt Druck von ihm und erhöht zugleich seine Chancen. Je verschwundener, desto chancenreicher - das ist logisch.

Und wie jeder gute Journalist gibt auch a. u. seine Informanten nicht preis. Wozu auch? Daran, dass Schüssel den Posten gegebenenfalls annehmen würde, zweifelt niemand in der VP-Spitze: Ein Njet würde Schüssel als unpatriotisch angerechnet werden. Zu Recht - in Zeiten des Vaterlandsverrats ist man in der VP-Spitze gegen alles Russische allergisch.

Noch ist offen, ob Schüssel nur aus der ersten Reihe der Spekulationen oder auch aus dem Spekulationsparterre verschwunden ist, indessen scheint intern die Nachfolgefrage bereits gelöst: VP-Spitzenpolitiker sind überzeugt, dass Klubobmann Wilhelm Molterer Erbe Schüssels werden würde. Ein Njet würde ihm vermutlich nicht nur als unpatriotisch, sondern - schlimmer - als allzu volkstümlich angerechnet werden. Schließlich: Einzige Alternative wäre der Niederösterreicher Erwin Pröll. Dessen volkstümliche Art kommt aber bei manchen VP-Exponenten nicht gut an. Nichts ist eiskalten Intellektuellen wie der Gehrer Liesl oder Andreas Khol bekanntlich so zuwider wie Volkstümlichkeit im Allgemeinen und besonders die eines literarischen Schatztauchers im Silbersee.

Erst recht nicht gut ist ein Mangel an Volkstümlichkeit, wie er der blauen Leihgabe im Kabinett anhaftet. Auch die VP-Mannschaft dürfte bei einem Wechsel an der Regierungsspitze keineswegs unverändert bleiben. So wird zunehmend gezweifelt, ob sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser jemals wieder zum Matchwinner entwickeln kann. Wo nicht? Auch steht Grasser mit dem Finanzausgleich und dem doppelten Budget in den nächsten Monaten sachpolitisch eine Lose-lose-Situation bevor, in der er nur verlieren kann.

Lose-lose - und verlieren auch noch! Rechnet man Homepage und seine Attacke auf die Defizitsünder in der EU hinzu, weitet sich die Situation, die ihm bevorsteht, sogar auf Lose-lose-lose-lose aus, weshalb er selbst dann nur verlieren kann, wenn Schüssel nicht zur EU geht und Molterer Klubobmann bleibt. Schade, dass a. u. uns dazu nicht mehr sagen konnte, als wir ohnehin schon seit Wochen wissen. Trotzdem guter Aufmacher!

Aufwühlender ist nur noch die Berichterstattung der "Presse" über den Herrn der Skarabäen und Uschebtis, der sich auf etlichen Sonderseiten des Blattes beweihräuchern (lassen) durfte. Gnadenlos wurden da die schussligen Grabräuber enttarnt: Der Rechnungshof beschäftigt sich hingebungsvoll mit Details - das Problem sieht er nicht . Das muss der Fluch des Pharao sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.6.2004)