Eher kurze Freude war der ÖVP an ihrem Vorstandsmitglied Karl Heinz Grasser gegönnt, überschäumend war sie ohnehin nie. Selbst der Bundeskanzler, der für die vermeintliche Auffrischung dieses Gremiums verantwortlich ist, hatte zuletzt wenig Grund, sich an den Leistungen des politischen Wechselbalgs zu ergötzen. Denn außer Ärger hat der Versuch, die Volkspartei zu behübschen, bisher wenig gebracht. Und seit die Volksanwaltschaft im Ringen der Staatsanwaltschaft um eine zweckdienliche Klärung der Homepageaffäre Missstände in der Verwaltung des Bundes erkannte, ist das Beste, was man von Grassers Karriere sagen kann: Die Rücktrittsforderungen der Opposition werden ihn schon im Amt halten.

Der Ruf des volatilen Ich- Aktionärs als Budgetsanierer war stets umstritten. Das ist er nicht mehr, seit der Rechnungshof die Beteuerungen der Opposition, von einer nachhaltigen Budgetsanierung könne keine Rede sein, bestätigt hat: Der als Nulldefizit ausgegebene Schwindel war – wie allgemein spürbar – durch beträchtliche Erhöhungen von Steuern, Gebühren und Abgaben finanziert.

Das wäre noch das wenigste, geht es dabei doch nur um das Geld der Bürger, das mit der nunmehrigen Steuerreform zu den Großunternehmen umverteilt wird. Aber kaum weniger kläglich ist der Mann bei der Einrichtung gescheitert, die der Ausbreitung seines Ruhmes dienen sollte. Der Inhalt seiner Homepage geriet rasch zu einer Art Volksbelustigung, ihre Finanzierung durch industrielle Sponsoren schon etwas weniger, und der steuerliche Umgang mit den Spenden zu ihrem Gegenteil.

Wie Grasser durch geschicktes Agieren die Generosität der Industriellenvereinigung ans Licht der Öffentlichkeit zerrte, hat ihm dort sicher viel Vertrauen gewonnen, letztlich zu Recht, kann man doch seine moralischen Schulden bei dieser Institution inzwischen als steuerpolitisch abgetragen betrachten. Es wäre nur fair, wenn die Industrie der Homepage von Peter Pilz ihre Gunst in ähnlicher Weise zuwendete, liegt doch zurzeit keinem mehr als ihm daran, der Finanz an seiner eigenen Homepage nachzuweisen, dass der Finanzminister steuerlich korrekt gehandelt hat.

Freunde, die man sich durch gesunden Opportunismus macht, sind gewöhnlich besonders treu. Daher bemüht sich neben Pilz auch Volksanwalt Ewald Stadler, Dobermann aus des ÖVP-Vorständlers freiheitlichen Anfängen, mit besonderer Hingabe um die Verfolgung der Spur, die vom Finanzministerium in die Staatsanwaltschaft führt. Prompt spürte er Missstände auf, die ein darob gewiss erfreuter Justizminister nun abzustellen berufen ist. Jedenfalls dürfe das Strafverfahren wegen Abgabenhinterziehung nicht ohne ein Sachverständigengutachten eingestellt werden, mahnt Stadler.

Das wird sich doch machen lassen, wenn man Freunde hat. Und weil Freundschaften auch von moralischen Flachwurzlern gepflegt sein wollen, lässt Karl-Heinz Grasser keine Gelegenheit dazu aus. Der Kanzler, gerade intensiv mit der Nachfolge Prodis kokettierend, muss richtig stolz auf das von ihm akquirierte Talent gewesen sein, als dieses den Defizitsündern in der EU nicht nur die Leviten las, sondern ihnen auch gleich das Stimmrecht entziehen wollte. Diesen "Rückfall in das Mittelalter" glich Grasser wieder aus, indem er sich der Kampagne gegen den Österreich-Vernaderer Franz Fischler anschloss und es damit endlich beiden Koalitionären Recht machte – der FPÖ etwas mehr, der ÖVP etwas weniger.

Selbst wenn die kühne Entlarvung Franz Fischlers nächsten Sonntag der Partei, in deren Vorstand er sitzt, nicht unbedingt hilft – über solche Kleinigkeiten kann man bei Grassers vielen anderen Verdiensten locker hinwegsehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.6.2004)