Mit klammheimlicher Freude beobachten derzeit einige Bundesheer-Angehörige die Probleme, in denen Manfred Rauchensteiner, der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM), steckt. Ein Rohbericht des Rechnungshofs (RH) hat schwere Mängel aufgezeigt, wobei am schwersten wiegen dürfte, dass Tausende Objekte aus den Depots fehlen. Öffentlich bekannt wurde das, weil die Kronen Zeitung ausführlich berichtete - unter Berufung auf den Rechnungshof, der vermutet, dass zehn Prozent der Bestände (etwa 150.000 Objekte) verloren gegangen sind.

Die Verluste dürften in verschiedenen Abteilungen unterschiedlich groß sein, in zwei Abteilungen konnte der RH bei seinen stichprobenartigen Überprüfungen keine Fehlbestände beanstanden. Dazu kommt, dass die Bestände des HGM nach 1945 nicht mehr komplett erfasst worden sind - und dass das Museum selber während des Krieges schwer beschädigt und teilweise geplündert worden ist. Dabei ist auch ein Teil der ursprünglichen Inventarlisten im Direktionsarchiv verbrannt. Auch wurde wertloses Material - "Schrott" nennt es Rauchensteiner - weggegeben. Die nachträgliche Inventarisierung einzelner Objekte - etwa eines Uniformknopfes, eines Waffenteils oder eines teilweise zerstörten Kunstwerks - ist extrem aufwändig.

Rauchensteiner, der seit über zehn Jahren auf eine datenbankgestützte Inventarisierung drängt, geht davon aus, dass die geschätzten 14 Jahre Arbeitszeit bei weitem nicht ausreichen.

Schadenfreude

Schadenfreude unter den Heeresangehörigen - das HGM untersteht dem Verteidigungsministerium - kommt deshalb auf, weil Rauchensteiners Amtsführung in erzkonservativen (Offiziers-) Kreisen hinter vorgehaltener Hand kritisiert wird: Rauchensteiner hat dem früher als Armeemuseum der Monarchie geführten Haus immer wieder einen aktuellen Zeitbezug gegeben: So wurde dokumentiert, was alliierte Truppen nach 1955 an Waffenlagern in Österreich hinterlassen haben, um einen allfälligen Partisanenkampf gegen eine sowjetische Besetzung des dann neutralen Österreich zu erleichtern - man hatte sogar spekuliert, dass der Partisanenkampf mit Gold finanziert würde, die Ausstellung hieß dann "Sorry Guys, No Gold".

Selbstverständnis

Umstrittener waren die Ausstellungen um den Totalen Krieg der Nazis, die Operation Walküre, das Kriegsende in Österreich 1945 (ein persönlicher Forschungsschwerpunkt Rauchensteiners) und den Eisernen Vorhang.

Unter Rauchensteiner wurde das soldatische Selbstverständnis in der musealen Betrachtung relativiert - statt Heldendarstellungen kam eine Betrachtung des Soldaten als "Nicht größer als eine Ameise" zum Zuge.

Und auch die bedingungslose Treue wurde hinterfragt: In der Darstellung des Bundesheeres der Ersten Republik ebenso wie in der erst vor zwei Wochen eröffneten Ausstellung "Tyrannenmord", die den Widerstand von Offizieren gegen Hitler thematisiert.

Das passt mit tradierten Soldatenbildern nicht zusammen. Und es wirft die Frage auf, welche Traditionspflege im Bundesheer eigentlich gewünscht ist: Viele Truppenteile knüpfen an militärische Traditionen der Monarchie an - dass eine Kaserne an Widerstand gegen die Nazis erinnert, ist die Ausnahme: 1967 wurde eine Kaserne in Wien nach den katholischen Patrioten Bidermann, Huth und Raschke benannt, die von den Nazis noch in den letzten Kriegstagen gehenkt wurden. Das Problem der Traditionspflege hatte das Büro für Wehrpolitik im Verteidigungsministerium zu lösen versucht - aber diese Abteilung fiel der letzten Reorganisation unter Minister Herbert Scheibner zum Opfer.

Das HGM wird dennoch nicht so rasch zur Ruhe kommen: Als die neue Abteilung über die Jahre von 1789 (Französische Revolution mitsamt den folgenden Kriegen) bis zur Revolution 1848 im Mai eröffnet wurde, wurde das Museum auch von der SPÖ ins Visier genommen, weil dieser Museumsteil unter anderem vom Eurofighter-Hersteller EADS gesponsert wird. (DER STANDARD, Printausgabe 7.6.2004)