Belgrad - Bei der serbischen Präsidentenwahl am Sonntag gehen insgesamt 15 Kandidaten ins Rennen. Als Favorit gilt der Nationalist Tomislav Nikolic. Sein schärfster Konkurrent ist der Demokrat Boris Tadic. Äußerst geringe Außenseiterchancen, in die Stichwahl am 27. Juni einzuziehen, haben noch der Regierungskandidat Dragan Marsicanin sowie Bogoljub Karic, einer der reichsten Serben. Internationaler Jet-Set ist mit der Person von Elisabeth Karadjordjevic, der Tochter des jugoslawischen Ex-Prinzregenten Pavle, und der griechischen Prinzessin Olga, Mutter der US-Schauspielerin Catherine Oxenberg, vertreten. Ex-Vizeministerpräsident Nikolic (1952), Spitzenpolitiker der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), war auch dieses Mal bemüht, sich als national-konservativer Politiker auszugeben, dem die Interessen der Bürger ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit gleichermaßen am Herzen liegen. Der serbische Ex-Vizeministerpräsident (1998-2000) war auch bestrebt, die Fehler von früheren Wahlkämpfen, als er billiges Brot und mehr versprach, zu vermeiden. "West und Ost" Die Ankündigung, wonach er nach einem Wahlsieg Ministerpräsident Vojislav Kostunica zum Rücktritt auffordern werde, hat er wegen negativer Reaktionen schleunigst korrigiert. Er würde Kostunica unterstützen, falls dieser die Auslieferung der mutmaßlichen Kriegsverbrechen an das UNO-Tribunal verhindern würde. Kooperieren wolle er mit "West und Ost". Seine Bemerkungen darüber, dass man in Serbien schlechter als je zuvor lebe, die Industrieproduktion gleich Null sei, sowie jene über die Entsendung serbisch-montenegrinischer Streitkräfte in das Kosovo - unter Beachtung der UNO-Resolution 1244 - fallen jedenfalls auf guten Nährboden. Milosevic Die Ultranationalisten bestreiten beharrlich jede Mitschuld an der Politik des Regimes von Slobodan Milosevic, an der sie selbst beteiligt waren. Um die Unterstützung von Sozialisten warb Nikolic mit der Ankündigung, der Familie Milosevic - Frau Mira Markovic und Sohn Marko - die Rückkehr aus Russland nach Serbien zu ermöglichen. Sollten die Ultranationalisten erneut an die Macht kommen, so könnte auch sein Freund und ehemalige jugoslawische Ex-Justizminister Petar Jojic mit einem Regierungsjob rechnen. Jojic war 2000 durch sein Schreiben an die Chefanklägerin des Haager Tribunals aufgefallen, in dem er Carla del Ponte "Hure" nannte. Reformweg Der wichtigste Konkurrent von Nikolic ist der Vorsitzende der Demokratischen Partei (DS), Boris Tadic (1958). Der Nachfolger von Zoran Djindjic an der Parteispitze scheint sehr wohl die notwendige Energie zu besitzen, um die Partei aus der Krise zu führen, in der sie nach der Ermordung des Premiers im Vorjahr steckt. Der ehemalige serbisch-montenegrinische Verteidigungsminister und Diplompsychologe von Beruf will den Reformweg Serbiens vorantreiben. Kompromisse Tadic, der aus einer bekannten serbischen Dissidentenfamilie stammt (sein Vater ist der Belgrader Philosoph Ljuba Tadic), setzt sich für Kompromisse und rationelle Problemlösungen ein. Den Schlüssel für die Aufnahme seines Landes in die NATO-Friedenspartnerschaft sieht er in der Festnahme und Auslieferung des bosnisch-serbischen Ex-Militärführers Ratko Mladic an das Haager Tribunal. "Serbien muss mit dem Tribunal kooperieren, im Gegenfall wird man isoliert". Tadic, der unter Djindjic ein Parteipolitiker mit eher geringem politischem Gewicht war, hat sich schnell zu einem guten Redner und Politiker, der problemlos Kontakte knüpft, entwickelt. Der frühere Wasserball-Sportler ist besonders bei Frauen und Intellektuellen beliebt. Kompromissbereitschaft Der Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei Serbiens (DSS), Dragan Marsicanin (1950), kommt bei eben dieser Wählergruppe wesentlich schlechter an. Er könne Serbien versprechen, bei jener Politik zu bleiben, die sich für die Errichtung von stabilen staatlichen Institutionen und eine neue Verfassung einsetze. Im Laufe des Wahlkampfes ließ Marsicanin, der von seinen Wahlberatern wiederholt aufgefordert werden musste, sich auch mal ein Lächeln abzuringen, häufig ein Manko an Kompromissbereitschaft erkennen. Schwung? Für etwas Schwung sorgte der Chef der Firmengruppe BK, Bogoljub Karic. einer der reichsten Serben. Der 1954 in Pec geborene frühere Hochzeitsmusiker hatte sich in den 90er-Jahren nicht zuletzt dank seiner engen Freundschaft mit der Familie Milosevic und der Geschäfte in Russland enorm bereichert. Nach der Wende hatte Karic, der zuvor sicherheitshalber auch der Opposition Spenden zukommen ließ, sehr bald einen guten Draht zu den neuen Machthabern. Unternehmertum Karic will das private Unternehmertum unterstützen und den übermäßigen Import verhindern. Er würde in Südserbien und im Sandschak eine zollfreie Zone einrichten, um die Wirtschaft anzukurbeln, verspricht der Selfmade-Millionär. Chancen auf den Sieg hat Karic nicht, doch seine kürzlich gegründete Partei, die Kraft Serbiens (Snaga Srbije), dürfte bei der nächsten Parlamentswahl den Sprung ins Parlament problemlos schaffen. (APA)