Wien - Die vielfach kritisch betrachtete Kleinstrukturiertheit in der österreichischen Tourismuswirtschaft ist ein "Vorteil für das Tourismusland Österreich und muss erhalten bleiben", meint die neue Geschäftsführerin der Tourismussparte in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Petra Stolba (39), die nach einer mehrmonatigen Einarbeitungsphase am 1. Juli offiziell ihr Amt antritt. Österreichs Klein- und Mittelbetriebe könnten damit besser als große internationale Hotelketten auf die individuellen Bedürfnisse der Urlaubsgäste reagieren.

Männderdomäne

Stolba, die auf den bisherigen Geschäftsführer Michael Raffling folgt, ist die erste Frau in der gesamten WKÖ, die eine Sparten-Geschäftsführerposition besetzt. In Männerdomänen zu arbeiten ist für die diplomierte Fotografin, Publizistin und Politikwissenschafterin, die im Herbst ihr drittes Universitätsstudium Betriebswirtschaftslehre abschließt und derzeit eine Diplomarbeit über "Tourismusförderung in Österreich schreibt", kein Problem. "Ich wollte eigentlich Nuklearforscherin werden, die Diskussion um Zwentendorf hatte mein Interesse geweckt", sagt Stolba, die den ersten Studienabschnitt in technischer Chemie abgeschlossen hat, im APA-Interview.

Ihren Wissensdurst begründet die dynamische und vielseitig interessierte Wienerin folgendermaßen: "Abseits der täglichen Arbeit ist es wichtig, die Nase immer wieder in neue Dinge hineinzustecken und einen Weitblick zu bewahren". Vor ihrem Wechsel in die Kammer war Stolba u.a. als Abteilungsleiterin für Gruppenreisen bei der Verkehrsbüro-Tochter Volksbank Reisen, als Geschäftsführerin des Kongressverbands Austrian Convention Bureau, als Bereichsleiterin Marketing, EDV und strategische Planung in der Niederösterreich-Werbung und zuletzt als Abteilungsleiterin Grundsatzpolitik für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Wirtschaftsministerium tätig.

"Ministerium mit Kompetenzen"

Zur aktuellen Branchendiskussion über die Einrichtung eines Tourismusministeriums meint Stolba: "Ein Tourismusministerium wäre wichtig, aber nur dann, wenn es über entsprechende Kompetenzen verfügt". Tourismus sei zwar Ländersache, was auch richtig sei. Sinnvoll für ein Tourismusministerium wäre - im Gegensatz zum früheren Tourismus-Staatsekretariat - aber die Ausstattung mit einer Koordinationskompetenz für eine bessere strategische Planung.

Steigende Beschäftigungszahlen

Als großes Tourismusthema der nächsten Jahre sieht Stolba - auch angesichts der demografischen Entwicklung - den Arbeitsmarkt. Derzeit sei der Tourismus eine der wenigen Branchen in Österreich, die steigende Beschäftigungszahlen aufweist, betont Stolba. Allerdings habe sich die Branche leider in den vergangenen Jahren oft schlechter dargestellt als sie ist und damit ein Imageproblem kreiert.

Einen weiteren Fokus will Stolba auf die Saisonverlängerung und einen "stabilen Ganzjahrestourismus" setzen. Die Tourismuswirtschaft müsse Ganzjahresangebote schnüren, meint Stolba. Jeder Betrieb müsse seine Kernkompetenz auf Grund seines Umfelds suchen, ein reines Basisangebot - etwa "Zimmer mit Frühstück" - genüge heute nicht mehr. Wesentlich für den Erfolg seien Tourismus-Kooperationen innerhalb der Region und länderübergreifend, etwa mit den neuen EU-Staaten. Verbesserungspotenzial siebt Stolba bei den wetterunabhängigen Alternativangeboten. Hier seien kreative Ideen notwendig, Kultur- und Kunstangebote könnten beispielsweise besser mit dem Tourismus verzahnt und Nischenbereiche mit neuen Facetten aufgeladen werden.

Ansprechpartner

Die WKÖ-Tourismussparte will Stolba insgesamt zum "ersten Ansprechpartner der Branche" machen, was durch den Auf- und Ausbau von Kompetenz, Innovation und Dienstleistung/Organisation gelingen soll. In ihrer neuen Funktion will sich Stolba auf die drei Säulen - starke nationale Interessensvertretung, internationales Lobbying und spartenübergreifendes strategisches Arbeiten - stützen.

Ihren persönlichen Urlaub gestaltet die neue Tourismusexpertin der Kammer am liebsten als vielseitigen Kurzurlaub in Österreich - vom Segeln über Wein- und Kulinarik-Touren bis zum Besuch von Festspielen. Auch in ihrer Freizeit scheint der Lerndrang Stolbas ungebremst. Demnächst will sie den Katamaranschein machen, ein Kunstgeschichtestudium will sie sich - angesichts des aktuellen Zeitmangels - "für die Pension aufheben". (APA)